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Von Moerdern und anderen Menschen

Titel: Von Moerdern und anderen Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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Bahnsteig entlang. «Ich kenn da in der Rankestraße ‘n Lokal, wo man gut essen kann. Da können wir dann in Ruhe alles besprechen.»
    Aus der anderen Richtung, aus dem Tunnelende, auf das sie jetzt zugingen, näherte sich ein anderer Zug und schob einen Schwall zusammengepreßter Luft vor sich her.
    «Bitte…?» Tommi hatte nicht mehr alles verstanden.
    Über ihnen dröhnte ein Lautsprecher. «Richtung Osloer Straße: nicht einsteigen bitte – Vorsicht an der Bahnsteigkante – Vorsicht an der Bahnsteigkante!»
    «Guck mal da…!» sagte Klatt und zeigte zum Zeitschriftenkiosk zurück.
    «Was denn, wo…?» Tommi sah’s nicht gleich.
    «Na da!»
    Als Tommi sich suchend umdrehte, versetzte Klatt ihm einen heftigen Stoß vor die Brust, so daß er mit einem langgezogenen Schrei vor den einfahrenden Zug stürzte. Das alles ging so schnell, daß der Fahrer, der zudem eine recht lange Schrecksekunde hatte, mit seinem Versuch einer Notbremsung viel zu spät war. Die Schreckensrufe der Umstehenden hallten durch den Tunnel, und die Leute stoben auseinander, als hätte sich eine schwere Explosion ereignet.
    Wer sich ein Haus baut, will sich ein Denkmal setzen. Ein Haus kündet vom Erfolg seines Erbauers, von seinem Fleiß und seiner Sparsamkeit. Ein Haus, das steht noch, wenn seinen Bauherrn längst der kühle Rasen deckt, und ist ein Stück Unsterblichkeit. Das Fertighaus als Volkspyramide. Margarine auf dem Brot und Eier-Ravioli im Topf, die nächste Urlaubsreise in zehn Jahren und zu Weihnachten für Vati das klassische SOS auf den Gabentisch (Schlips, Oberhemd und Socken), aber ‘n eigenes Dach über’m Kopf. In Büro und Werkstatt sind andere die Herren, hier ist man’s selber. Und kein Vermieter, der dauernd die Miete erhöht und auch noch Dankbarkeit erwartet.
    Die Czapallas hatten’s jedenfalls nach einem zehn Jahre währenden Bausparerleben geschafft: Typenreihe ‹Wohnglück›, rustikaler Strukturputz ohne sichtbare Fugen, Rolläden im gesamten Erdgeschoß. Und zwar in Heiligensee, in der Nähe des damals stark frequentierten Wallfahrerweges zum Heiligen Blut nach Wilsnack.
    Mittagszeit; Czapalla saß in seiner Küche, las im Spandauer Volksblatt und trank sein Pils. Als er mit der Lokalseite fertig war, schob er eine neue Kassette in einen ziemlich vergammelten Recorder, den sein Sohn sicher irgendwo beim Trödler abgestaubt hatte, und wartete, bis sein Moulin Rouge ertönte.
    Er mochte vielleicht zwei Minuten so gesessen haben, als nebenan in der Diele die Klingel schrillte. Er warf die Zeitung auf die blitzende Nirosta-Spüle und ging zur Tür.
    Es war Frau Jonas, ihr Gegenüber, eine Dame, von der Czapalla des öfteren sagte: Wat die sich einbildet, möcht ick jerne sein! Anfang der Dreißig, war sie von einer lumpigen Kassiererin in einem Edeka-Laden zur Gattin eines Zoll-Betriebsinspektors aufgestiegen, eines Mannes also, der an der Schwelle zum gehobenen Dienst stand. Seit sie vor zwei Jahren eine in Englewood Cliffs, New Jersey, verheiratete Schwester besucht hatte, war mit ihr ein Stückchen amerikanischer Partykultur nach Heiligensee gekommen, dieses leicht überzogene nice-to-see-you-Gehabe, wann immer sie einen Nachbarn erspähte.
    Czapalla stand so, daß er den Türrahmen ausfüllte.
    «Schönen guten Tag, Herr Czapalla!» rief sie.
    «Tag, Frau Jonas.»
    «Ich will ja nicht weiter stören», sagte Frau Jonas, «aber der Briefträger hat vorhin was abgegeben für Sie, ‘n Einschreiber. Der kennt mich ja gut genug…»
    Czapalla nahm das Kuvert an sich. «Nett von Ihnen, danke sehr.»
    «Brauchen Sie nicht extra zum Postamt, ihn abholen…»
    «Danke, ja.» Czapalla schielte nach dem Absender.
    «Ah, da kommt ja auch der Junior!» rief Frau Jonas.
    «Mahlzeit allerseits!» Wolfgang Czapalla, in Jeansanzug und mit hohen Clogs an den Füßen, wollte sich so schnell wie möglich an den beiden vorbeistehlen.
    Doch Czapalla ließ ihn nicht so ohne weiteres passieren. «Warum kommsten erst so spät?»
    Sein Sohn sah ihn an, als hätte er nicht mehr alle. «Ich hab ‘ne halbe Stunde uff de U-Bahn jewartet – irgendwo ‘ne Störung oder ‘n Unfall oder wat.»
    «Und? Wat is ‘n bei rausjekomm’n? Haste die Stelle jekricht?»
    «Nee!» Wolfgang riß ein Blatt vom Rittersporn. «‹Wir lassen wieda von uns hörn› – imma detselbe.»
    «Mein Gott, das geht ja nun schon über ‘n halbes Jahr so…» Frau Jonas hatte ihr Gesicht auf Mitleid geschaltet.
    Wolfgang wurde langsam unruhig. «Laß ma

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