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Von Moerdern und anderen Menschen

Titel: Von Moerdern und anderen Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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«So – erst ma det Stück zum Stech hin.»
    «Ick nehm die Beene hier», sagte Czapalla. «Hasten fest?»
    «Ja. Paß uff – da liegt ‘n altet Fahrrad, fall nich drüba.»
    «Jeht’s so?» fragte Czapalla, nachdem sie ein paar Schritte gegangen waren.
    «Ja, ‘t jeht prima so…»
    Sie waren etwa zwanzig Meter weit gekommen und hatten den Steg fast erreicht, als Czapalla plötzlich stehenblieb. «Wat kommt’n da uffm Wassa?» Geräusche wie Positionslichter ließen auf ein ziemlich großes Motorboot schließen. Eine kleine Landzunge versperrte ihnen die Sicht.
    Wolfgang versuchte, durch das dichte Buschwerk hindurchzusehen. «Scheiße – will der hier anlejen…?»
    Sie bewegten sich nicht und warteten.
    Endlich ging Czapalla ein Licht auf. «Mensch, det is’n Patrulljenboot drüben vonne DDR – die kümmern sich nich um unsre Seite.»
    «Los, dann uff’n Stech ruff», sagte Wolfgang. «Wo werfen wa’n denn rin – janz vorne oder jleich hier anne Seite?»
    «Janz vorne natürlich», bestimmte Czapalla.
    «Da… ‘n Funkwaren!» Wolfgang erstarrte.
    «Laß los, fallen lassen!» zischte Czapalla. Klatt plumpste auf die Bohlen. «Die Arme um mich rum, janz eng! Bei deine langen Haare… Richtich aba, abknutschen…»
    Sie standen da wie ein Liebespaar. Sekunden verstrichen. Die Wellen des Patrouillenbootes klatschten ans Ufer. Aufgeschreckte Enten schnatterten im Schilf.
    «Sindse vorbei?» fragte Wolfgang.
    «Ja… Kannst ma wieda loslassen.»
    «Ick kann nich mehr, ick muß ma erstma hinsetzen.» Wolfgang hockte sich auf den mittleren Balken des tauüberzogenen Geländers.
    «Dann muß ick’n eben alleene langziehn!» Czapalla griff in die Verschnürung und schleifte das Bündel über den Steg. Schließlich, nachdem er die Füße zu Hilfe genommen hatte, klatschte es ins Wasser.
    Wolfgang war nun doch hinterhergekommen. «Issa weg?»
    Czapalla starrte aufs Wasser hinunter. «Der jeht nich unta…!»
    «Da is noch Luft in die Plane drin», stellte Wolfgang fest, «siehste die Luftblase da?»
    «Quatsch», sagte Czapalla, «da muß irgendwo ‘n abjefaulta Pfahl sein, uff dem’a jetz druffliejt.»
    «Ick zieh ma mal die Sachen aus und laß ma runta.» Wolfgang entkleidete sich. «Wenn eena kommt, denn bad ick ebent hier; da harn wa ooch jleich ‘n Jrund…» Er ließ sich vom Steg herab und sprang ins Wasser. Von unten herauf klang seine Stimme, bedingt durch den Steg, dumpf und hohl. «Mann, is det kalt hier!»
    «Hasten?» fragte Czapalla.
    «Nee, leuchte ma mitta Taschenlampe.»
    Czapalla tat es. «… jetzt?»
    «Ja. Hier kiekt ‘n Riesenbolzen raus, hier hatta sich dran vahakt.»
    «Kriegst’n ab?» Czapalla beugte sich weit nach unten.
    «Nee, ick…» Wolfgang hielt sich prustend an den Bohlen fest.
    «Mensch, baeil dia – da hinten komm die vonna Jartenparty, die woll’n hier wirklich baden…!»
    Wolfgang versuchte es noch einmal. «Jetzt hab ick’n ab!»
    «Na, Jott sei Dank!» rief Czapalla.
    «Jetzt issa untajetaucht!»
     
     
    Verständlich, daß die beiden in dieser Nacht keinen Schlaf mehr fanden. Erst gegen Morgen, als sie Irma zum Bus gehen hörten, fielen sie, unter dem Einfluß einiger Schlaftabletten, in einen alles andere als erquickenden Halbschlaf. Zur ‹Rund um die Berolina›-Zeit, kurz nach elf also, frühstückten sie dann und hörten in die aktuelle Lokalsendung hinein: vielleicht brachten sie was über Klatt.
    «Nischt», sagte Wolfgang schließlich und stand auf. «Ich fahr mal, Zeitungen holen und ‘n bißchen spaziern.»
    Czapalla nickte und setzte sich, als sein Sohn gegangen war, vor den Fernseher. Doch kaum war der Apparat warm geworden, da klingelte es. Czapalla öffnete und sah sich einem stämmigen Mann Mitte Vierzig gegenüber. Er hielt ihn für einen Gewerkschaftsfunktionär und lächelte ihm dementsprechend zu.
    «Na, Kollege…?»
    Der «Kollege» stutzte. «Nein, nein – Mannhardt, Kriminalpolizei, guten Tag… Herr Czapalla, ja?»
    Czapalla bemühte sich, möglichst unbefangen zu wirken. «Persönlich, ja.»
    «Sie wissen, warum ich komme?» fragte Mannhardt.
    «Nein – das heißt, wejen Klatt…?»
    «Wegen Klatt, ja. Darf ich mal?» Mannhardt deutete an, daß es ihm draußen in der prallen Sonne zu heiß wurde.
    Czapalla gab die Tür frei. «Ja, kommen Sie ruhig rein.» Er bemühte sich, möglichst wenig zu berlinern und so den in Berlin mit dem Gebrauch der Hochsprache verbundenen Ehrbarkeitsbonus zu erlangen. Es gelang ihm nicht immer, einige

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