Von Moerdern und anderen Menschen
Amerikanisierung unseres Lebens noch zu wünschen übrig, etwa auf dem Gebiet der organisierten Kriminalität. Doch erste Ansätze gibt es schon, etwa dort, wo professionelle Täter, oft arbeitsteilig und nach außen abgeschaltet, in Gruppen oder Banden arbeiten – am augenfälligsten beim Rauschgifthandel und, so der Fachausdruck, bei der Kriminalität im Zusammenhang mit dem Nachtleben, aber auch in der Wirtschafts-, Eigentums- und Fälschungskriminalität. Kontrolliert werden diese Gangs zumeist von Franzosen, Italienern und Orientalen; deutsche Profis finden sich im allgemeinen nur in untergeordneten Positionen.
Kein Wunder, daß da ein Mann wie Dieter Zitzner von einer eigenen Gang träumte, ja sogar, in der Hoffnung auf ein Heer jugendlicher Desperados, von einer deutschen Cosa Nostra.
Im Augenblick ließ er sich von Rocky zum Bahnhof chauffieren. Dabei war noch Yvonne, eine seiner Freundinnen.
Zitzner war gereizt heute. «Rocky, du bist nicht auf dem Nürburgring – hör endlich auf mit der Raserei, verdammt noch mal!»
«Is ja gut, Chef. Aber wenn Yvonne um zehn auf’m Flugplatz sein will…»
«Ich will nicht – ich muß!» betonte Yvonne.
Zitzners Stimme wurde hart und bestimmt. «Klar mußt du! Giuseppe hat gestern fünf Leute einfliegen lassen. Ich will, daß du weg bist, wenn sie losschlagen.»
«Die schlagen nicht los, wenn du ihnen vierzig Prozent anbietest», sagte Yvonne.
«Woher weißt du ‘n das?» fragte Zitzner.
«Das wissen doch alle», erklärte Yvonne.
Zitzner schlug mit der flachen Hand auf seinen schwarzen Aktenkoffer. «Das ist mein Revier hier, ich laß mich doch nicht von Rom oder Marseille aus rumkommandieren.»
«Vielleicht sind die stärker als du», wagte Yvonne einzuwenden.
«Vielleicht, vielleicht auch nicht… Hast du ‘ne Zeitung gekauft?»
«Wer, ich?» fragte Rocky.
«Wer denn sonst, Idiot!» schnauzte Zitzner.
«Hinterm Rücksitz, Chef… ‘tschuldigung!»
Zitzner angelte nach der Zeitung. «Schon gut, wir sind alle ein bißchen…» Er schlug die Zeitung auf. «Ist die Anzeige drin?»
«Ja, auf Seite 12.» Rocky wußte Bescheid.
«Ah, hier…» Beamten- und Angestellten-Darlehen… Effektiver Jahreszins: 9,45 % p. a. Fest für die Laufzeit. Auszahlung 98 %. Laufzeit bis zu 20 Jahren… Vorauszahlung einer Lebensversicherung… Hypothekendarlehen, zinsgünstig, Laufzeit bis zu 30 Jahren… Umschuldung möglich… Inter Trade and Finance. Beratung und Vermittlung in Deutschland nur durch Dieter Zitzner in…
«Ist doch idiotisch, daß dein Name da auftaucht!» sagte Yvonne.
«Mein Gott, wie kann man nur so dußlig sein! Meinst du, ich mach’s wie dein Vater: hier mal ‘n Bruch und da mal ‘n Bruch, und dann zwei Jahre im Klingelpütz? Nee, du – die Zeiten sind vorbei. Profi muß man heute sein, Profi!» Zitzner lehnte sich zurück.
«Chef, ich halt hier», sagte Rocky. «Sie wollten doch noch ‘n Happen essen, bevor Sie zum Bahnhof…»
«Ich schlag dir sämtliche Zähne ein, wenn du nicht bald mit dem dußligen Gerede aufhörst.» Zitzner schlug mit der Faust gegen die Kopfstütze vor ihm.
«Mensch, bist du gereizt! Wieder beim Roulette verloren, was?» Yvonne musterte ihn.
«Nun halt schon da!» befahl Zitzner.
«Ja, aber nicht mitten auf der Kreuzung», sagte Rocky.
«Nicht mal zum Flugplatz kommst du mit», beschwerte sich Yvonne.
«Herrgott, ich muß Markulla finden!» rief Zitzner. «Der soll sich jeden Mittag am Bahnhof rumtreiben. Ich brauch ihn jetzt.»
Rocky bremste und hielt. «So, Chef, hier… Schnell, eh der Bus kommt.»
Zitzner nahm seinen Aktenkoffer. «Ja, dann… Mach’s gut, Yvonne, und grüß mir Gran Canada.» Er küßte sie flüchtig.
Yvonne strich ihm mit den Fingern über die Revers seines Jacketts. «Und du kommst nach, wenn hier alles vorbei ist…» Es war ebenso Frage wie Feststellung.
Zitzner machte sich los von ihr und öffnete die Tür. «Ja, ich komm nach.»
«Tempo, nun mach schon!» rief Rocky, als hinter ihnen kräftig gehupt wurde.
Zitzner stieg aus. «Also, dann… Ciao!»
«Ciao. Und viel Glück!» riefen Rocky und Yvonne.
«Bis dann.» Zitzner knallte die Tür wieder zu. «Guten Flug noch…»
Rocky gab Gas. «Wie im Kino, Mensch!»
Yvonne winkte noch ein Weilchen. «Du sollst nicht so rasen!»
«Du bist doch angeschnallt», sagte Rocky.
«Dieser Scheißgurt hier, der klemmt einem ja alles ab», schimpfte Yvonne.
«Du hast eben zuviel», lachte Rocky.
«Macht doch mal ‘nen neuen ran,
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