Von Namibia bis Südafrika
wäre noch was: Kennst du einen, der ein bisschen Benzin übrig hat?“
Er zwinkerte mir zu. „Ja“, erwiderte er, „der Typ ist aber ein seltsamer Kauz.“
Bisher war mir nicht klar gewesen, dass Johan auch Humor besaß. Wie man sich täuschen kann. Er führte mich hinter seinem Haus zu einem Schuppen, der so alt war, dass er schon zu Zeiten des Superkontinents Pangäa an dieser Stelle stand. Drinnen sah es aus, als habe jemand ein Leben lang Gerümpel gehortet, und erst nach einer Weile dämmerte mir, dass wir uns in Johans Ersatzteillager befanden. In Afrika/ Namibia/ Wüste Kalahari/Tsumkwe ist der nächste Baumarkt ein paar Hundert Kilometer weit weg. Wenn einem da die Nägel ausgehen, eine Gummidichtung oder Schraubzwingen, lernt man ganz neue Flüche. Selbst als Missionar.
„Fass mal an“, sagte Johan, und gemeinsam wuchteten wir eine Hobelbank zur Seite. Darunter kam ein Tank zum Vorschein. Wie ein echter Trapper steckte der Missionar einen Schlauch hinein, saugte am anderen Ende und hielt ihn in einen Kanister.
„Mein Notvorrat“, sagte er, „falls wir einen schnellen Abgang hinlegen müssen.“
Auf einmal war mir sein Geschenk gar nicht mehr recht. Doch Johan beruhigte mich. „Ich hab’ genug davon“, sagte er. „Und irgendwann wird auch die Tankstelle wieder beliefert. Aber weil du schon mal da bist, würde ich dir gerne noch etwas zeigen.“
Alte Schuppen gab es bei Johan genug, und ich kam mir vor wie beim Öffnen eines Adventskalenders. Was versteckt sich hinter dem nächsten Türchen? Johan machte auf, und ich stand staunend in einem Raum, der mit handwerklichen Arbeiten der Khoi San überfüllt war. Ich sah Hunderte von Bögen, die dazu gehörenden Pfeile, eine enorme Sammlung an Lederschürzen, jede Menge Halsschmuck und Armbänder. Ich sah all die Sachen, die ich in den Dörfern der Khoi San nicht gesehen hatte.
„Das ist Projekt Nummer 4“, sagte Johan. „Nummer 1 ist frische Kleidung, damit die Khoi San aus ihren ungesunden Sachen rauskommen. Nummer 2 der Anbau von Gemüse und das Züchten von Schafen, weil sie nicht genug Essbares finden und nicht jagen dürfen. Nummer 3 ist das Errichten einer Unterkunft für die Kinder, sonst können sie nicht zur Schule. Und Nummer 4 ist, alle zu motivieren, den alten Handwerkskünsten wieder nachzugehen. Durch das Jagdverbot haben sie aufgehört, Pfeil und Bogen zu bauen. In der Sesshaftigkeit ist ihre ursprüngliche Kleidung unbrauchbar, also ließen sie die Herstellung sein. Das will ich ändern. Deshalb kaufe ich ihnen ihr Handwerk ab.“
„Und wer kauft es dir ab?“, fragte ich. „Nach Tsumkwe kommt doch keiner.“
Dieses Argument konnte einen Johan van Bomel nicht aus der Fassung bringen.
„Bisher“, sagt er, „gebe ich monatlich 35 000 Namib- Dollar aus und verkaufe für 6000.“
Das sind umgerechnet 700 Euro Ausgaben und 60 Euro Einnahmen. Nicht gerade ein wirtschaftlich gesundes Unternehmen.
„Es kommen schon Leute, wenn auch selten. Du hast Glück, morgen hat sich ein Händler angekündigt. Er ist Kanadier und war schon einmal hier. Ich hoffe, er nimmt ordentlich was mit.“
„Wenn nicht? Mit was bezahlst du das? Bekommst du Spenden?“
Johan blickte mich an, als ob ich ihn gefragt hätte, ob er sich einen Elefanten als Haustier hält.
„Ich kriege Gehalt“, sagte er. „Und wir brauchen so gut wie nichts.“
Mit seinem kargen Missionarslohn und den wenigen Einnahmen durch den Verkauf brachte Johan nicht nur seine Familie durch, sondern versorgte auch die 3 500 Khoi San rund um Tsumkwe.
Am nächsten Tag betrat die Königin von Saba die Szene, in Begleitung ihres Hofnarren, des Kanadiers John Holmes. Die Königin selbst hörte auf den Namen Constanze. Sie stammte aus Botsuana, und wo sich ihr und Johns Lebensweg gekreuzt hatten, habe ich nicht herausgefunden, denn auf Fragen gab Constanze keine Antworten, und John war viel zu beschäftigt, seiner königlichen Herrin den Diener zu machen. Im Zickenkrieg würden die Ladies aus Sex and the City gegen Constanze jedenfalls alt aussehen.
Afrika versetzt einen immer wieder in Erstaunen: Während wir mitunter glauben, der Kontinent versinkt im Elend, verliert sich im Chaos, stirbt an Hunger und Aids, bekommt man im Land einen anderen Eindruck. Es stimmt zwar, in vielen Ländern versinken die Menschen im Elend, verlieren sich im Chaos und sterben an Hunger und Aids, wie zum Beispiel in Südafrika, wo bereits jeder fünfte Mensch mit dem HI-Virus infiziert ist.
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