Von Namibia bis Südafrika
du hast Recht. Die sollten wir uns wirklich nicht entgehen lassen.“
Fast alle Touristen, die nach Namibia kommen, besuchen die Etosha-Pfanne. Der Name Etosha bedeutet „großer Platz des trockenen weißen Wassers“. Vor ein paar Millionen Jahren hatte es an dieser Stelle einen See gegeben, halb so groß wie die Schweiz. Er trocknete aus, als der Fluss Kunene seinen Lauf änderte. An seiner Stelle bildeten sich große, flache Senken, die durch Quellen und seltene Regenfälle zu begehrten Trinkwasserplätzen vieler Tiere wurden. Da sich das Wild in der baum- und buschlosen Fläche von Etoscha nicht wie im Krüger-Nationalpark, in Chobe oder Moremi verstecken kann, ist der Ort prädestiniert für Tierbeobachtungen. Bis zu 300 000 Besucher kommen pro Jahr, um nach Elefanten, schwarzen Nashörnern, Giraffen, Löwen und Leoparden Ausschau zu halten. Die Nyae-Nyae-Pfanne ist die kleine Schwester der Etoscha. In ihr entsteht nach starken Regenfällen ein flacher See, der Tiere und Vögel anlockt. Im Gegensatz zu Etoscha ist man hier völlig allein, was ein Vorteil ist, aber ein Nachteil sein kann. Aber ich will ja nicht vorgreifen.
Nach einem herzlichen Abschied von den Khoi San inom!o!o und von Johan van Bomel und seiner Frau fuhren wir los. Um Benzin zu sparen, stellten wir eines der Fahrzeuge am Ortsausgang von Tsumkwe ab, was keine sehr pfiffige Idee war. Rolf und ich nahmen vorne Platz, Bigy und Richard hinten. Schon bald wurde aus der Straße ein Pfad, aus dem Pfad eine Fußspur, dann war auch diese verschwunden, und wir befanden uns mitten in der Savanne. Das Fahren durch eine Gegend, in der das nächste Straßenschild Hunderte von Kilometern weit weg ist und der nächste Ordnungshüter noch viel weiter, macht Laune. Ich gab kräftig Gas, der Geländewagen h üpfte d urch d ie L andschaft w ie e in G ummiball, und ich freute mich bei jedem Stöhnen des Getriebes an dem Gedanken, dass der Wagen Wolfi gehörte. So fuhren wir ein paar Stunden dahin, bis sich unvermittelt vor uns ein flaches Tal öffnete. Es war zwölf Kilometer lang und fünf Kilometer breit. In der Mitte hatte sich durch die Regenfälle der letzten Tage ein großes Gewässer gebildet, und rund um das Ufer grasten Herden von Gamsböcken, Zebras, Kudus und Strauße. Mir stand der Mund offen, und ich konnte mich nicht satt sehen. Dann entdeckte ich ein Rudel afrikanischer Wildhunde, welches auf eine Gruppe Antilopen zuhielt. Diese sahen die schwarz gefleckten Jäger, stoben auseinander, und für eine Weile herrschte Unruhe unter den Tieren. Wir nutzten die Gelegenheit, fuhren näher heran und stiegen aus. Die Zeit verstrich, ohne dass einer von uns ein Wort sprach. Auf einmal fiel mir auf, dass sich die Sonne bereits dem Horizont näherte.
„Ich glaube, wir müssen weiter“, sagte ich irgendwann, ohne es wirklich zu meinen.
Es war verdammt schwer, sich von dem verwunschenen Tal und seinen Bewohnern zu lösen. Als wir ins Auto stiegen, um in westliche Richtung zu fahren, sagte Rolf leise: „Dafür habe ich den Ballon gebaut. “
Ich wusste, wie ihm zumute war. Mit dem richtigen Wind zur Unterstützung wären ihm die schönsten Aufnahmen gelungen. Als Kameramann blutete sein Herz. Doch wir konnten nicht warten, bis Windstärke und Windrichtung stimmten. Wie oft habe ich das auf Reisen schon erlebt: Immer kämpft der Wunsch zu bleiben mit der Pflicht, weiter reisen zu müssen. Nomade versus Sesshafter - dieser Konflikt durchzieht auch mein Leben.
Nach einiger Zeit bemerkte ich, wie der Boden unter den Rädern sandig wurde. Noch bevor ich daran denken konnte zu stoppen, um Luft abzulassen, was die Oberfläche der Reifen verbreitert und das Fortkommen auf Sand erleichtert, änderte sich die Farbe des Untergrunds. Was ockerfarben war, wurde schwarz.
„Dark Soil“, rief Rolf, „gib Stoff!“
Ich drückte das Gaspedal bis zum Bodenblech durch, der Motor heulte auf, und der Geländewagen schoss vorwärts. Beinahe hätten wir es geschafft. Aber eben nur beinahe. Plötzlich wühlten sich die Räder tief in den Untergrund, und wir kamen abrupt zum Stehen. Wir stiegen aus und versanken sofort knietief im schwarzen Schlick. Dark Soil ist tückischer als Sumpf: Sand, der sich in einem Wasserlauf ablagerte, und überwuchert von Gras und Buschwerk meist erst wahrgenommen wird, wenn es bereits zu spät ist. Ich zählte die Alternativen auf: In Kürze würde die Sonne untergehen. Die Aussicht auf ein Camp nahe der Nyae-Nyae-Pfanne mit nachtaktiven Jägern
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