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Von Namibia bis Südafrika

Titel: Von Namibia bis Südafrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Oliver Bachmann
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als freundliche Nachbarn war nicht sehr verlockend. Bis wir über Funk jemand erreichten, der ein Fahrzeug organisierte mit genug Power unter der Haube, um uns raus zu ziehen, würde mir der Bart bis zur Steakwampe reichen. Den Fußweg zurück nach Tsumkwe schätzte ich auf zwei bis drei Tage. Wir hatten zwar nur wenig Proviant mit und kaum Wasser, aber es war zu schaffen.
    „Wir sollten erst mal versuchen“, sagte Rolf, „die Karre aus dem Dreck zu ziehen.“
    So mag ich das. Konstruktive Vorschläge zur richtigen Zeit. Wir schleppten Steine, Äste und Buschwerk heran, einfach alles, was mehr Konsistenz hatte als dieser heimtückische Sand. Dabei stakten wir wie Störche durch den Sumpf. Der Schweiß lief mir in Strömen herab, und nach eine Weile hatte ich nur noch einen Gedanken: ein Königreich für ein Bier! Ein Königreich? Ach was, zwei Königreiche, drei, vier! Man ist schließlich kein Knauser. Nach endloser Schlepperei lagen wir auf dem Bauch im Dreck und versuchten, die Räder freizuschaufeln. Erst mit den Händen, und als wir etwas Platz geschaffen hatten, mit einem Klappspaten. Bei jedem Schaufelhub rutschte die halbe Menge wieder nach. Irgendwann gelang es uns, den Wagenheber hinter die vordere Antriebswelle zu bugsieren. Dann spuckte Richard in die Hände und kurbelte. Und kurbelte. Und kurbelte. Millimeter um Millimeter hob sich der schwere Wagen, und der Rest von uns schob Steine und Äste unter die Räder. Eine nicht ungefährliche Arbeit, und seither ist mir klar, was das Sprichwort „auf Sand bauen“ wirklich meint. Wie durch ein Wunder hielt unsere wacklige Konstruktion. Jetzt noch zwei Fahrspuren aus Stein und Geäst bis zum festen Boden legen – und dann nichts wie weg. Mittlerweile war die Dämmerung hereingebrochen, in der Savanne um uns schrie, pfiff und fauchte es. Ich dachte an meinen Ausflug mit den Khoi San zurück und an den unsichtbaren Leoparden. Wahrscheinlich saßen ein paar dieser Gesellen hinter dem nächsten Gebüsch und hielten sich die Bäuche vor Lachen.
    „Die sollen sich mal schön verausgaben“, sagte Leopard 1. „Wenn sie fertig sind, krallen wir sie uns.“
    „Das hast du jetzt aber schön gesagt“, antwortete Leopard 2. „Krallen wir sie uns. Der so aussieht, als sei er aus dem Schwarzwald, hatte ein paar Steaks zuviel. Der gehört mir.“
    Mir wuchsen zwei weitere Arme, mit denen pflasterte ich den Rettungsweg aus dem Schlick, als bekäme ich dafür einen Preis bei „Deutschland sucht den Superstraßenbauer“. Dann kam der große Moment. Rolf pflanzte sich hinters Steuer. Zuerst schien es, als ob unsere Plackerei umsonst gewesen wäre. Der Wagen zitterte, aber bewegte sich nicht von der Stelle. Doch auf einmal nahm er Fahrt auf, und wie auf Schienen fuhr Rolf aus dem Schlick. Als ich mich umwandte, sah ich zwei Leoparden Tränen der Enttäuschung vergießen. Ich gab ihnen den Finger. Das heißt, ich wollte es, aber über meinen Körper zog sich eine Schicht Dark Soil, klebrig wie Leim, fest wie ein Panzer.
    Richard reichte mir sein Buschmesser. „Das Zeugs geht nur damit ab“, sagte er.
    Ich schüttelte den Kopf. „ Wolfi's Veloursitze sind mir schnuppe“, sagte ich und kletterte in den Wagen. „Los geht's. Gen Osten, die Sonne putzen!“
    Das wollte ich schon seit meiner frühesten Kindheit einmal sagen.

4. Vom Nyae Nyae Conservancy nach Omaruru
    „Wie alt ist er?“, fragte Rolf.
    „Neunzig – oder ein bisschen darüber. Bei seinem abenteuerlichen Leben weiß er's vielleicht selbst nicht so genau.“
    Wir fuhren durch eine Landschaft, die wie eine Abfolge riesiger Suppenschüsseln aussah. Es ging bergab in die erste Schüssel, kilometerweit schnurstracks geradeaus, anschließend bergauf. Dann folgte die nächste. Auf dem Schüsselgrund wuchs gelbes Steppengras. Hin und wieder lagen Felsbrocken in allen Farbschattierungen von ocker bis schwarz wie von Riesenhand verstreut herum. Darüber spannte sich ein kornblauer Himmel. Keine Spur war mehr von den Wolken der letzten Tage zu sehen; der Regen nicht mehr als eine vage Erinnerung. Das ganze Land glänzte wie vom Meister Proper rausgeputzt, und ich konnte nicht genug bekommen von der Intensität der Farben, die automatisch für gute Laune sorgten. Wenn es in Deutschland wintergrau ist, liege ich meist mit einer Depression im Bett – auf dem Kopf eine Zipfelmütze, die Decke bis ans Kinn gezogen. Dann trinke ich heiße Milch mit Honig und will Urmel-Bücher lesen. Vielleicht bin ich deshalb so viel

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