Von Namibia bis Südafrika
den sich entfernenden Ballon, und ich hoffte nur, dass nicht ein paar Elefanten sagten: „Hey, was ist denn da los? Kommt Jungs, lasst uns das mal aus der Nähe betrachten!“
Der Ballon nahm seinen üblichen Kurs auf Angola, und die Khoi San hatten einen Heidenspaß, hinter ihm herzujagen. Darin waren sie eindeutig begabter als wir, und noch spät in der Nacht schwärmte Rolf von ihrem Talent.
„Ich stelle eine Truppe zusammen“, sagte er ein ums andere Mal. „Das ist die Lösung aller Probleme.“
Eine kleine Untertreibung, wie ich fand. Heute Morgen hatte ich entdeckt, dass unser Benzin alle war. Und die nächste Tankstelle befand sich 250 Kilometer entfernt in Grootfontein. Am nächsten Tag sollte der Teufelskrallen-Handel über die Bühne gehen, denn Bruno musste zurück zu seinen Rindern.
„Die“, sagte er voller Zärtlichkeit, „brauchen meine Zuwendung.“
Also stand ich früh auf, geweckt von einem klackernden Geräusch. Als ich mich dem Feuer der Khoi San näherte, sah ich eine der Frauen in einer Kalebasse Teufelskralle zerhacken. Kommtsa Boo gab etwas Wasser dazu. Trotz des Regens war Wasser das kostbarste Gut der Khoi San, und es rührte mich, wie er aus einem Straußenei behutsam Tropfen für Tropfen untermischte. Mit der entstandenen Paste bestrich Kommtsa Boo den Fuß eines sechsjährigen Jungen. Dieser hatte vor wenigen Tagen Brandwunden erlitten, als er beim Spielen ins Feuer geraten war. Die Teufelskralle sorgte dafür, dass sich eine neue Hautschicht bildet.
Für die Khoi San hängt das Überleben in der Wüste und Savanne von diesem Wissen ab. Ich versuchte mir vorzustellen, ich müsste alles, was ich zum Leben brauche, im Wald und auf der Wiese sammeln. Da würde ich nicht alt werden, sondern schon in meine erste Bärlauchsuppe eine Handvoll Maiglöckchen werfen, die ganz ähnlich aussehen, einen aber im Eilzugtempo ins Jenseits befördern. Als ich nun beobachtete, wie Kommtsa Boo die Teufelskralle in einer Weise anwandte, die nicht in den schlauen Büchern steht, wurde mir klar, dass nur ein paar Monate bei ihm in der Lehre dafür sorgen würden, dass ich mehr Wissen über die Heilpflanzen der Wüste besäße als die meisten Ärzte Deutschlands. Und das ist der springende Punkt: Auf diesen Gedanken ist auch die Pharmaindustrie gekommen. Sie schickt ihre Spione zu den Urvölkern der Erde, um den Leuten ihr Wissen zu entlocken – in den meisten Fällen ohne Bezahlung. Bei dieser Art von Zechprellerei zeigt sich der Kapitalismus von seiner hässlichen Seite. So wurde die „Dschungelapotheke“ Südamerikas ausgebeutet, ohne dass die Ureinwohner davon profitierten. Jetzt ist Afrikas Wüstenapotheke an der Reihe.
Den Rest des Vormittags sahen wir zu, wie die Khoi San die Teufelskrallen verarbeiteten. Sie säuberten die Knollen vom Sand, schnitten sie in Scheiben, ließen diese unter der Wüstensonne trocknen. Dabei verloren die Knollen 90 Prozent ihres Gewichts und schrumpften zusammen. Jetzt erst wurde mir klar, welch riesige Menge 1 000 Tonnen getrocknete Teufelskralle darstellt. Bruno überprüfte die Qualität, und seinem Gesicht war anzusehen, dass er zufrieden war. Getrocknete Teufelskrallen müssen knackig sein, ein bisschen wie Kartoffelchips. Nur schmecken sie anders. Sie sind so bitter, dass es einem die Zehennägel aufrollt. Meine Mutter sagte immer, „Bös muss Bös vertreiben“, und damit waren ihre gefürchteten Erkältungssäfte gemeint, die deshalb mein Geröchel stoppten, weil ich mich nach dem ersten Schluck nicht mehr getraute zu husten. Ich gebe zu, weder die Teufelskralle noch die anderen Heilpflanzen, die ich im Verlauf der Reise kostete, schafften es auf meine Hitliste „Bester Geschmack aller Zeiten“, die noch immer von einer frisch gebackenen Schramberger Laugenbrezel angeführt wird. Die gab es hier aber ebenso wenig wie andere Schwarzwälder Leckereien; dafür stand wieder Steak von Horst auf dem Speiseplan. Für die Khoi San hieß das allerdings: Festtagsschmaus! An ihrer Begeisterung konnte ich sehen, welch ein verwöhnter Bengel ich war. Dafür war mir in der Nacht eine Idee gekommen, und nach dem Essen nahm ich Johan zur Seite.
„Ich kenne ein paar Leute, die würden gerne zur Kleiderspende beitragen. Ich garantiere Keimfreiheit. Was hältst du davon?“
Davon hielt Johan viel, und er wollte wissen, wie ich mir die Organisation vorstellte.
„Das lass meine Sorge sein“, sagte ich. „In ein paar Wochen kannst du zur Modeschau einladen. Da
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