Von Namibia bis Südafrika
politische Elite wenig dazu beiträgt, um die Leute aufzuklären. So empfiehlt das Gesundheitsministerium Südafrikas schon mal Knoblauch und Olivenöl gegen Aids. Staatspräsident und Vorsitzender des ANC, Jacob Zuma, der polygam lebt und sich auch schon einmal in einem Vergewaltigungsprozess vor Gericht verantworten musste, rät nach dem Geschlechtsverkehr mit einem HIV-positiven Partner zur heißen Dusche. Lange leugnete seine Regierung jeden Zusammenhang zwischen dem HI-Virus und Aids. So gab ich Dr. Matheus Mutindi Kuvare Recht, als er sagte: „Die Welt hat noch viel zu lernen. Wir von euch. Ihr von uns. Warum lernen wir nicht gemeinsam?“
Ich wusste genau, was er meinte: Drei Jahre zuvor hatte ich einen Bandscheibenvorfall im Halswirbelbereich. Der Arzt schickte mich nach zwei Minuten Behandlung zum Therapeuten. Dieser steckte mich in eine Vorrichtung, ähnlich derer, die man im Foltermuseum sieht. Hätte ich mich nach einer Viertelstunde Tortur nicht selbst befreit, säße ich heute im Rollstuhl und nicht beim Gespräch mit einem Heiler, der die Versöhnung der Welt anstrebte.
Als wir am Abend ums Lagerfeuer saßen, erzählte ich Eberhard davon.
Er lachte.„Traditionelle Heiler beschäftigen sich intensiv mit jedem Patienten“, sagte er. „Dein Doktor zuhause hat nicht die Zeit, um eine Erstkonsultation zwei oder drei Stunden dauern zu lassen. Doch nur die genaue Kenntnis der Biographie des kranken Menschen ermöglicht es, zum Ursprung des Symptoms vorzudringen. Erst dann kann man behandeln.“
„Wie soll das funktionieren?“, fragte ich. „Die meisten Ärzte liegen nicht auf der faulen Haut. In ihren Wartezimmern geht es zu wie auf dem Bahnhof. Sie hasten wie Roboter von einer Behandlung zur nächsten.“
Eberhard rieb Daumen und Zeigefinger aneinander. „Das ist der Grund. Vieles wäre besser, wenn man nicht die uralten, tausendfach erprobten Heilmittel aus dem Handel nehmen würde. Dafür sorgt die Pharmaindustrie - obwohl Ärzte und Patienten nach diesen Heilmitteln verlangen. Dagegen müssen sich die Menschen endlich wehren!“
Das Feuer knisterte, ich vergaß von meinem Bier zu trinken, und Rolf beugte sich zu mir. „Neunzig, nicht wahr?“, sagte er leise.
In den Flammen tanzten afrikanische Götter: Ndjambi Karunga, die höchste Gottheit der Herero und Himba. Kalunga, der Gott der Ambo, und Mvalinquangi, der mächtige Lichtgott der Zulu. Die Antennen afrikanischer Heiler, sagt man, reichen bis in die Sphären dieser Wesen. Ärgert sich der Gott über das Betragen der Menschen – und er muss sich häufig ärgern –, schickt er Unwetter, Insektenplagen, Epidemien und Krankheiten. Dann kann nur noch der traditionelle Heiler vermitteln und helfen. Ich wage nicht daran zu denken, was mein Arzt sagen würde, wenn ich ihm klar machen wollte, dass mein kaputter Meniskus nicht von einer zwanzig Jahre dauernden Handballkarriere kommt, sondern mir von den Göttern geschickt wurde. Vermutlich stünden kurz darauf die Herren mit der Jacke, die man auf dem Rücken zu knöpft, vor der Tür.
„Eberhard“, sagte ich, „du bist kein Spring-ins-Feld mehr. Mit deinen Ansichten kämpfst du gegen Windmühlen. Wird dir die Sache nicht zuviel?“
„Nein“, antwortete er. „Wenn du eine Aufgabe hast, kennst du keine Müdigkeit.“
„Bei mir“, sagte Wolfi, „bricht keiner ein.“
Wir waren nach Windhuk zurückgekehrt, um Vorbereitungen für die nächsten Wochen zu treffen. Jetzt sollte es Richtung Süden gehen, und dazu brauchten wir ein neues Fahrzeug. Außerdem Lebensmittel, Gas für den Ballon und jede Menge anderer nützlicher Sachen. Vor allem brauchten wir nach der Hitze im Damaraland ein frisches Bier, und dazu bot sich das Lokal Joe's Beerhouse in der Nelson Mandela Avenue an. Da geht es zu wie beim Bockbieranstich auf dem Münchner Nockherberg, nur dass die Haxen nicht vom Schwein sondern vom Gamsbock stammen. Alles in allem war das der ideale Ort für Leute wie Wolfi, um uns sein neues Sicherheitskonzept zu erklären. Was wir erlebt hatten, kümmerte ihn nicht, da er zu beschäftigt war, Pläne auf dem Tisch auszubreiten und Volksreden zu schwingen.
„Hier, Starkstrom. Das wird den Kuffnucken auf die Sprünge helfen. Ich zeig ihnen, wer die Hosen anhat.“ Ich wandte mich ab, widmete mich den Bergen von Fleisch vor mir, dachte an die Khoi San und hatte plötzlich keinen Appetit mehr. Ich hatte gleich nach unserer Ankunft einen Kleiderspendenaufruf in die Heimat geschickt. Meine Frau
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