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Von Namibia bis Südafrika

Titel: Von Namibia bis Südafrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Oliver Bachmann
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ich zum ersten Mal die Gelegenheit, mein Lieblingsspiel zu spielen. Das geht so: Ich merke mir die Kilometeranzeige auf dem Tacho und messe, wie lange ich fahren kann, ohne am Lenkrad drehen zu müssen. Am Ende dieser Reise stand der Rekord bei 103 Kilometer schnurstracks geradeaus. Ich habe die USA in alle Richtungen durchquert, und auch da gab es Straßen, für die das Wort „Kurve“ ein Fremdwort ist. Trotzdem war das nichts gegen die pfeilgeraden Strecken in Namibia. Das Interessante an dem Spiel besteht darin, dass man aufpassen muss, nicht gegen den einzigen Baum zu rauschen, der ganz bestimmt bei Kilometer 54 auftaucht und bedenklich viele Dellen aufweist. Diese Bäume üben auf geraden Strecken eine geradezu magische Anziehungskraft auf Autos aus. Meine Empfehlung: Nicht am Steuer einschlafen, sondern an etwas Schönes denken. Also dachte ich an meine Frau, aber ich hätte meine Augen dabei nicht schließen sollen, auch nicht auf einer Straße ohne Kurven. Ich hörte Gehupe, schreckte auf und sah, dass ich aus alter Gewohnheit auf der rechten Spur fuhr, dabei hat sich Namibia von den Engländern überreden lassen, auf der falschen Seite zu fahren. Jede Menge Geisterfahrer kamen mir hupend entgegen. Ich beugte mich dieser Demonstration von Gewalt und scherte auf die andere Spur zurück.
    „Träumst du?“, fragte Rolf.
    „Och …“, entgegnete ich.
    Und dann hatte ich die rettende Idee. „Ja“, sagte ich. „Vom Ballon. Wenn es uns gelingt, ihn so richtig fahren zu lassen …“
    Das war das Stichwort. Die nächsten 300 Kilometer konnte ich so tun, als lauschte ich den Schwärmereien von Rolf. Dabei war ich mit meinen Gedanken zuhause, wo meine Frau auf gepackten Koffern saß, weil sie nach Uganda reisen wollte. Was ich zu dieser Zeit nicht wusste, war, welche schicksalhafte Fügung unsere Afrikareisen noch mit sich brachten.
    Irgendwann, südlich von Mariental, wo Wein, Melonen und Luzerne angebaut werden, stießen wir wieder auf die Ausläufer der Kalahari. Diese Wüste ist wirklich riesig, der größte Sandkasten der Welt. Ihre 16 300 000 km 2 – das entspricht fast der fünfzigfachen Größe von Deutschland – verteilen sich über neun Länder. Weite Teile sind durch Sandflächen bedeckt, die manchmal mit Gras und immer wieder mit Akazien bewachsen sind. Durch ihre enorme Fläche ist sie bis heute nur unzureichend erforscht, weshalb es eine Vielzahl von Sagen und Geschichten gibt. Eine von ihnen ist die Legende der „verlorenen Stadt“. 1886 beschrieb der Amerikaner G. A. Farini in seinem Buch „Through the Kalahari Desert“ die prähistorischen Überreste einer Stadt, in der reiche Gold- und Diamantenschätze auf den glücklichen Entdecker warten. Legionen von Abenteurern haben sich seither vergeblich auf die Suche gemacht. Dabei liegen die wahren Reichtümer der Kalahari ganz woanders. In dieser Wüste, wo es nur Extreme gibt – sengende Hitze, bittere Kälte, Dürre und manchmal so extreme Regenfälle, dass dort mehr Menschen ertrinken als verdursten –, hat sich die Tier- und Pflanzenwelt auf die außergewöhnlichen Lebensumstände eingestellt. Ich dachte an Eberhard von Koenen, wie er mir zum Abschied sagte: „Wir haben in Namibia eine so harte Umwelt durch die Hitze und die Trockenheit, dass unsere Pflanzen besonders starke Lebenskräfte entwickeln müssen, um sich durchsetzen zu können“ Da gibt es zum Beispiel den Baobab, den Affenbrotbaum, der im nördlichen Teil der Kalahari wächst. Einer Sage nach war dieser Baum so schön, dass ihn der Teufel wutentbrannt ausriss und umgekehrt in die Erde steckte, so dass seine Wurzeln in die Luft ragen. Natürlich steckt das Wurzelwerk im Boden, und zwar so tief, dass es bis zu 140 000 Liter Wasser speichern kann. Deshalb dient der Baobab den Khoi San als Quelle, und nicht nur ihnen, sondern auch vielen Tieren. Elefanten brechen mit ihren Stoßzähnen die Rinde auf, um an die feuchten Fasern in seinem Inneren zu gelangen. Auf diese Weise entstehen riesige Hohlräume, die einen Baobab schon mal zum Einsturz bringen. Andere Pflanzen wie der Kameldornbaum werfen während langer Dürreperioden alle Blätter ab, um Wasser zu sparen. Dann sehen sie aus wie tot, doch kaum fällt Regen, sprießen die Blätter und man kann dem Baum beim Wachsen zusehen. Des Weiteren gibt es erstaunliche Methusalems unter den Kalaharipflanzen, wie die Welwitschia mirabilis, von der man über 1 000 Jahre alte Exemplare kennt. Sie ist eine endemische Sukkulente, wächst

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