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Von Napoleon lernen, wie man sich vorm Abwasch drückt: Eine heitere Historie Europas (German Edition)

Von Napoleon lernen, wie man sich vorm Abwasch drückt: Eine heitere Historie Europas (German Edition)

Titel: Von Napoleon lernen, wie man sich vorm Abwasch drückt: Eine heitere Historie Europas (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Schnoy
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als alles, was man bis dahin gesehen hatte, sollte er werden. Wie kann man die eigene Einzigartigkeit und Größe besser unterstreichen als durch ein einzigartiges, großes Gebäude? Ist man der Größte, muss es auch das größte Bauwerk werden, und zumindest die Kuppel des Petersdoms ist mit über vierzig Metern Spannweite die größte aus Ziegeln gebaute Kuppel der Welt.
    Auch der Papststuhl unterstreicht die Größe des Stellvertreters Gottes, allein der Baldachin über dem Thron wird von vier wuchtigen, fast dreißig Meter hohen Säulen getragen. Solch Extravaganz kostet natürlich Geld. Viel Geld. Um die Errichtung des neuen Petersdoms finanzieren zu können, schickte man deshalb u.a. den Dominikanermönch Johann Tetzel nach Deutschland. Er war dem Vatikan zu diesem Zeitpunkt bereits als begabter Geldeintreiber bekannt – heute würde ihn die GEZ sofort engagieren und durch die Wohnviertel schicken, wenn er denn noch lebte.
    Besagter Tetzel ging also mit einem Klingelkasten auf Spendentour und zog den Leuten die Kohle mit großen Versprechungen und schrägen Versen aus der Tasche: «Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt», schrie er angeblich auf den Marktplätzen.
    Manch einer nahm das ziemlich wörtlich. Der Überlieferung nach ereignete sich folgende Episode: Bei seiner Spendentour durch Niedersachsen trat einmal ein Mann auf Tetzel zu und fragte, ob er für eine Sünde bezahlen könne, die noch in der Zukunft läge. Tetzel überlegte kurz, dann stand sein Urteil fest: Es würde zwar deutlich teurer, aber wenn der Sünder schon jetzt bereute, was er erst in Zukunft anzustellen gedachte, könnte er ihm – gegen einen entsprechenden Obolus, versteht sich – einen Ablassbrief ausstellen, in dem ihm die noch zu begehende Sünde verziehen wurde. Natürlich kostete ein solcher Sonderwunsch das Vielfache einer einfachen, schon begangenen Sünde.
    Daraufhin steckte der Mann eine Menge Geld in den Klingelkasten, und Tetzel rieb sich die Hände über diesen Coup. Doch seine Freude währte nicht lange. Am Tag darauf lauerte der Sünder Tetzel auf und raubte ihn aus. Auf sein Fluchen soll er ihm sogar den von ihm selbst ausgestellten Ablassbrief unter die Nase gehalten haben. Er hat seinen Gutschein quasi sofort eingetauscht.
    1524 – die erste Staffel von «Bauer sucht Frau»
    Wir Deutschen besitzen grundsätzlich so etwas wie eine Art Bravheits- bzw. Gehorsams-Gen. Wir machen einfach nichts Verbotenes, der Tetzel-Räuber muss eine Ausnahme gewesen sein. Das war auch bei unseren Ahnen im Mittelalter so. (Als Deutsche empfanden sie sich freilich damals noch nicht, so wie auch die Germanen erst von den Römern erfuhren, dass sie Germanen genannt wurden. Aber sie sprachen schon allesamt dieses seltsame «Diutschin», heute «deutsch» genannt.)
    Unsere Vorfahren waren jedenfalls lange Zeit friedliche und fromme Bauern, die auf den Feldern die Krume fruchtbar machten. Bis eines Tages ein ebenfalls frommer Mann auftauchte und die einfachen Menschen mit einer Gabe in den Bann schlug, die noch heute zu den Kernkompetenzen erfolgreicher Politiker gehört: komplizierte Dinge mit einfachen, treffenden Worten auszudrücken.
    Zudem konnte besagter Mann dank seiner Griechischkenntnisse die ursprüngliche Version der Bibel lesen, die auf Griechisch verfasst war. Latein, die Sprache, in denen Teilübersetzungen der Bibel geschrieben waren, beherrschte er ebenfalls. Diese für Priester gedachten Fassungen, aus denen in den Kirchen vorgemurmelt wurde, empfand der Mann als schlecht. Davon mal ganz abgesehen: Wer konnte damals schon Latein? Wer kann heute noch Latein? Was nützt eine frohe Botschaft, die niemand versteht?
    Der Mann wollte das ändern und wandte sich an die Bauern: «Hey, Leute, ich habe die Bibel selber gelesen. Also, zwei Sachen, die dadrin stehen, werden euch immer verschwiegen: Als Erstes: Ein Christenmensch soll niemandem untertan sein. Hammer, oder? Und zweitens: Nur Gott selbst kann euch Gnade schenken, nicht irgendein hergelaufener Mann mit Ablassbriefen!» – «Wie heißt du Schlaumeier überhaupt?», fragten die Bauern, und der Name des Mannes brannte sich ihnen (und bald ganz Europa) ein: «Luther!»
    Martin Luther löste die erste urdeutsche Revolution aus: Genervt von der Unmoral der katholischen Kirche, dem gierigen Klingelkasten-Tetzel und voller Wut auf die Feudalherren, die dem Klerus in Sachen Ausbeutung in nichts nachstanden und sie durch immer höhere Abgaben in die

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