Von Napoleon lernen, wie man sich vorm Abwasch drückt: Eine heitere Historie Europas (German Edition)
Lebensversicherung verkauft sich blendend
Die tiefe Religiosität der Menschen im Mittelalter erschöpfte sich nicht allein im christlichen Glauben. Neben den bekannten Figuren der katholischen Lehre, inklusive dem Teufel, gab es den Glauben an alle möglichen Wald- und Sumpfgeister, Feen, Zwerge und wer einem sonst noch so des Nachts in den Büschen auflauern konnte.
Heute gehen wir in den Wald zur Erholung, aber wie sagte es Rebecca Gablé so treffend in ihrem Buch
Von Ratlosen und Löwenherzen
: «Wer damals in den Wald ging, musste durchaus damit rechnen, nicht wieder lebend herauszukommen.» Er war kein Naherholungsgebiet, in ihm lauerte Gefahr. Gleiches galt für Sümpfe und Moore.
Zum Glück gab es gegen all diese Unbill die älteste Lebensversicherung der Welt, die Kirche. Sie versprach für saftige Beiträge im Todesfall eine Bombenprämie, nämlich das Paradies. Das Clevere an dieser Versicherung: Sollte im Schadensfall ein Leistungsausfall eintreten, also zum Beispiel das Paradies gar nicht da sein, sondern nur das große Nichts, konnte der Geschädigte die Versicherung nicht in Regress nehmen. Zumindest ist mir kein solcher Fall bekannt.
Während heute Politiker bei jeder Wahl versprechen, das Leben der Bürger noch angenehmer zu machen, mit mehr Arbeitsplätzen, stabilen Preisen und niedrigeren Steuern, mussten sich die Herrscher im Mittelalter mit derlei Lappalien nicht abgeben. Denn der kirchlichen Ansicht nach war das Leben gar nicht dazu da, angenehm zu sein oder vielleicht zu werden, vielmehr sollte es als Strafe dienen. Schließlich waren wir ja alle Sünder, die das große Upgrade erst im Jenseits erwartete. Wie praktisch, zumindest für die Herrschenden. So konnte man die Unfähigkeit der Königshäuser, ihrer Bevölkerung ein erträgliches Dasein zu sichern, all die Missernten, Kriege und Unterdrückungen als ideale Vorsorge für die Belohnung nach dem eigenen Ende verkaufen. Je schlimmer das Leben, desto besser für später. Darauf muss man erst mal kommen! Vielleicht die genialste Idee in der Geschichte, Menschen auszubeuten und diesen dabei noch einen Sinn zu verkaufen.
Aufgrund dieser Theorien über das Leben nach dem Tod waren auch Bettelmönche hoch angesehen, die selbst Ernst mit dem Verzicht machten und außer ihrer Botschaft, die sie auf den Marktplätzen der Städte und Dörfer verbreiteten, keinerlei Besitz vorzuweisen hatten. Die Authentizität der Bettelmönche war so groß, dass sich reiche Adelige neben Pelzen und goldbestickten Gewändern auch immer eine Bettelmönchskutte in den Kleiderschrank hängen ließen, um sich auf dem Sterbebett noch schnell umziehen zu können. Möglicherweise, so befürchteten die Edelleute, würde Petrus an der Himmelspforte barsch reagieren, wenn er all den auf Kosten des kleinen Mannes angehäuften Prunk und Reichtum sehen würde – mit der Kutte hoffte man, ihn gnädig stimmen zu können. Das Prinzip hat sich eigentlich bis heute nicht geändert, man kennt es von allen exklusiven Clubs: Rein kommt man nur mit den richtigen Klamotten.
Neu im Vatikan: Pornokratie – die Herrschaft der Huren
Das Mittelalter hält einige Überraschungen parat, über die man heutzutage nur den Kopf schütteln kann. Mit dem Niedergang aller Kultur begann auch im Vatikan eine Zeit, die den Glauben an die Moral der Kirche auf eine harte Probe stellte. Einer Phase gaben Historiker den bezeichnenden Namen «Pornokratie», die Herrschaft der Huren. Päpste hatten Mätressen, die Mätressen wurden schwanger, und deren unehelichen Kinder wurden Papst. Sicher, für einen Papst ist jedes Kind unehelich, damit kann man ihn nicht erpressen, aber skandalös ist solch unmoralisches Verhalten von Gottes Stellvertreter auf Erden allemal. Selbst Kirchenhistoriker nennen die Zeit nach dem Jahr 900 n. Chr. «das dunkle Jahrhundert», dabei kann man angesichts der Auswirkungen, die die Dominanz des Christentums hatte, auch von einem dunklen Jahrtausend sprechen. Dieses spezifische Jahrhundert war eben nur noch düsterer. In ihm warf zunächst eine Frau namens Theodora ihr Beziehungsnetz über dem Vatikan aus. Angeblich hat sie dem Papst ihre Tochter Marozia als Gespielin angeboten, als diese erst sechzehn war; die Mutter wurde zur Zuhälterin der eigenen Tochter. Marozia gebar schließlich einen Jungen, den sie Giovanni nannte. Sein Vater: Papst Sergius III . Ein Umstand, der in der Kita noch heute Tumulte auslösen dürfte: «Und, was macht dein Papa so?» – «Der ist
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