Von Napoleon lernen, wie man sich vorm Abwasch drückt: Eine heitere Historie Europas (German Edition)
aufmachen, solange er auch Krankenpfleger und genügend Ärzte einstellt. Als die Apothekenkette
DocMorris
vor einigen Jahren erstmals eine Filiale in Deutschland eröffnen wollte, kam ihr das Mittelalter dazwischen.
DocMorris
stammt aus den Niederlanden, wo der Markt von jeher flexibler ist als anderswo; insofern war die Überraschung groß, als man merkte, wie in Deutschland die Uhren ticken. EU -Recht hin oder her, die Holländer konnten sich auf den Kopf stellen, es blieb dabei: Ketten sind verboten, wer eine Apotheke betreibt, muss selbst Apotheker sein. Natürlich hätte auch
DocMorris
für jede Apotheke Apotheker eingestellt, aber darum ging es nicht. Dabei wäre ein bisschen mehr Markt an dieser Stelle gar nicht schlecht. Wer in den USA ein Medikament kaufen möchte, auch ein vom Arzt verschriebenes, kann im Supermarkt bei seichter Einkaufsmusik trockenen Fußes in Richtung Zahnpastaregal gehen und hinter den Pflegeprodukten mit dem Einkaufswagen vor einem Tresen haltmachen. Dahinter steht der Apotheker und sucht das Medikament raus. Nur bei uns muss man den Supermarkt verlassen und durch ein Sturmtief in die Altstadt zur Apotheke gehen – immerhin, wenn man sich dabei auf dem Kopfsteinpflaster den Fuß verstaucht, bekommt man dort auch eine Kompresse.
Letztlich verloren die Holländer den Pillenkrieg. Die noch vorhandenen
DocMorris
-Apotheken laufen nach dem alten deutschen Recht: Sie gehören dem Apotheker, der sie unter dem gemeinsamen Namen betreibt.
Dabei liegt der Vorteil des Zusammenlegens von Apotheken ja auf der Hand: Die Medikamente würden für die Kranken billiger, da der Pharmaindustrie größere Chargen abgenommen werden können. Doch selbst einzelne vorsichtige Preissenkungen wurden den Holländern verboten. Als ich mich bei meinem Apothekenbesuch fürchterlich aufregte, dass ich fast zwanzig Euro für ein Fläschchen süßen Alkohol bezahlen sollte, das Linderung bei Erkältungen verspricht, muss ich wohl etwas lauter geworden sein. Auf jeden Fall wurde mir angeboten, dass ich für ein paar Euro mehr noch ein Präparat mitnehmen könne, das mich wieder beruhigen würde. Da hatte ich auf einmal die Antwort auf die Frage, warum Deutsche für Tabletten mehr bezahlen sollen als andere Europäer: Weil sie unvergleichlich gut beraten werden! Und tatsächlich: Wer in eine deutsche Apotheke kommt, wird beraten, ob er will oder nicht, auch wenn die Kundenschlange immer länger wird. Peinlich nur, wenn man ein Medikament kaufen muss, das einem unangenehm ist und vor Publikum alle Nebenwirkungen erörtert werden, bis man vor Scham im Boden versinkt. Ich sage jetzt immer: «Können Sie es bitte einpacken? Soll ein Geschenk sein.»
Andere Holländer hatten mehr Erfolg im Kampf gegen die Auswirkungen des Mittelalters auf unsere bundesrepublikanische Gegenwart: Seit Urzeiten gab es im Hamburger Hafen eine Art Schlepperzunft mit wenigen Betrieben rund um die Reedereien Lütgens & Reimers und Petersen & Albers. Klingt gemütlich, nicht wahr? Containerschiffe mussten für das Hinein- und aus dem Hafen Herausschleppen allerdings sehr hohe Preise bezahlen. Das war schon immer so. Doch dann tauchte Ard-Jan Kooren aus Holland mit zwei rot lackierten Schleppern auf und löste den sogenannten Schlepperkrieg aus – einer der wenigen Kriege, mit denen wir uns hier beschäftigen, weil man über ihn lachen kann. Lütgens, Albers und ihre Leute kreisten die Eindringlinge aus Rotterdam mit ihren Schleppern ein, es kam zur Beinahe-Kollision, Fäuste streckten sich drohend in die Luft, und es wurde in Megaphone geschrien, was man mit dem Feind alles machen würde, bekäme man ihn denn in die Finger. Das Problem: Kooren bot die Schleppdienste günstiger an. «Jetzt können wir hundert Leute entlassen!», schrien die Hamburger. Aber die Holländer ließen sich nicht einschüchtern, und Kooren fragte, wie es sein könne, dass er mit seinen rund fünfundzwanzig Männern hundert Schleppern die Arbeit wegnehmen solle. Das ginge doch eigentlich nur, ja, wenn das Wort Wettbewerb bisher noch keine Rolle gespielt habe. Kooren blieb.
Feuerstättenschau und Brandstättenverordnung
Ich weiß nicht, ob auch die deutschen Apotheker den Eindringlingen von
DocMorris
vor ihrer ersten Filiale in Saarbrücken auflauerten. Nicht mit Fäusten und Enterhaken natürlich, vielleicht mit Spritzen und K.-o.-Tropfen. Sicher weiß ich dagegen, dass seit dem Mittelalter noch kein deutscher Bezirksschornsteinfegermeister auf dem Dach auf
Weitere Kostenlose Bücher