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Von Napoleon lernen, wie man sich vorm Abwasch drückt: Eine heitere Historie Europas (German Edition)

Von Napoleon lernen, wie man sich vorm Abwasch drückt: Eine heitere Historie Europas (German Edition)

Titel: Von Napoleon lernen, wie man sich vorm Abwasch drückt: Eine heitere Historie Europas (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Schnoy
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Schritttempo in die Menge reinritt, um diese aufzulösen. Das brachte das Volk zum Kochen, einige zerrten die Reiter aufgebracht von ihren Pferden, es fielen erste panische Schüsse, schließlich ließ Friedrich gezielt auf die Menschenmenge schießen. Die Folge: Straßenschlachten und viele Tote.
    Taxis zu Barrikaden
    Im Gegensatz zu unserer Vorstellung von einer Revolution – hier entschlossene Revoluzzer, da die Armee des Königs – beschrieb der 29 -jährige Theodor Fontane das Dilemma, in dem wohl das Gros der Menschen damals steckte: Man sympathisiert mit dem Aufstand, hofft, dass er erfolgreich ist, aber wenn man selber «runtergeht», riskiert man sein Leben. Also hoffte Fontane wie die meisten Berliner, dass die anderen die Kastanien aus dem Feuer holten.
    Fontane zögerte lange. Sollte er denn nun runtergehen oder nicht? Natürlich, ja! Wer will sich in so einer Situation abwenden und die anderen Leute Geschichte schreiben lassen? Aber was, wenn ein Regiment auftauchte und einen kurzerhand niederschoss? In seinem Zimmer hörte er immer wieder den Protestlärm umherziehender Gruppen. Und schließlich ging er doch hinunter, allerdings: In diesem Moment war es ruhig in seiner Gasse. Schlief die Nachbarschaft? In dieser Stunde? Schnell wechselte er emotional die Seiten und konnte es nicht fassen, dass es Leute geben konnte, die es vorzogen, in den Häusern zu bleiben. Doch was konnte er tun, so ganz alleine auf der Straße? Sein Plan: Mit Sturmläuten die Massen aufwecken, denn er hatte einmal gehört, dass die Kirchen in einer Revolution Sturm läuten. Doch als er zur Kirche in seiner Nachbarschaft kam, war die Tür abgeschlossen. Der Versuch, allein einen Pfahl aus dem Boden zu ziehen, um mit ihm die Tür einzuschlagen, misslang. Er wollte sich einfach nicht lösen, so sehr Fontane auch an ihm zerrte, sodass er schließlich aufgab und unverrichteter Dinge wieder in sein Zimmer zurückkehrte. Doch wer kann sich schon entspannen, wenn unter dem eigenen Fenster eine Revolution stattfindet? Fontane hörte wieder den Lärm, beobachtete, wie Droschken, die damaligen Taxis, zu Barrikaden aufgetürmt wurden, er sah die Plünderung eines Theaters und schloss sich schließlich einer Gruppe von Revolutionären an.
    Aus dem Theater schleppte man die Kulissen auf die Straße, türmte sie auf, um sich hinter ihnen zu verschanzen. Die eintreffenden Soldaten stießen so auf eine Alpenlandschaft mitten in Berlin, von der aus geschossen wurde. Aber mit was? Revolutionäre sind in der Regel viel schlechter ausgerüstet als der Gegner, in diesem Fall waren die meisten Revoluzzer nur Demonstranten. Fontane blieb also nichts anderes übrig, als sich ein Gewehr aus dem Theaterfundus zu schnappen, keine Attrappe, immerhin, aber ein ausrangierter Karabiner von anno dazumal. Draußen vor der Alpenkulisse schüttete er Schießpulver hinein und steckte Münzen in den Lauf, weil er keine Patronen hatte. Einen Schuss konnte er nicht abgeben, zum Glück, er hätte nur sich selbst verletzt. Nur einige Jäger unter den Revolutionären waren bewaffnet. In einer anderen Straße schmiss man Dachziegel auf die Truppen – mit durchschlagender Wirkung. Doch auch diese Revolutionäre waren keine Profis, keiner von ihnen dachte an Fluchtwege, und so waren sie gefangen, sobald eine Einheit das Treppenhaus hinaufstürmte.
    Am bitteren Ende wurde selbst mit Kanonen geschossen. Fontane lief hier und da mit, versteckte sich in den richtigen Momenten und prägte sich das Gesicht eines alten Kommandeurs ein, der seiner Truppe den Schießbefehl gab. Es war das Gesicht eines väterlichen, vielleicht schon großväterlichen Mannes mit Bart, in dessen Gesicht Fontane einen Ach-Kinder-warum-geht-ihr-nicht-einfach-nach-Hause-Blick meinte ausmachen zu können.
    Als der Aufstand schon niedergeschlagen war, entdeckte Fontane eine der gefürchteten Sechspfünderkugeln, die in Brusthöhe in der Wand einer Apotheke steckengeblieben war, halb schaute sie noch aus dem Mauerwerk heraus. Sie traf genau die Mitte eines der zahlreichen Plakate, mit denen der König seine Proklamationen veröffentlichte. Sie begannen stets mit dem Satz «An meine lieben Berliner». Nur dieser groß gedruckte Satz war noch lesbar, darunter steckte nun die Kugel.
    Revolution im Theater
    In Belgien hatte es einige Jahre zuvor mit der Revolution geklappt, und auch diese Geschichte reizte die Deutschen, endlich selbst etwas zu tun. Dort war erstaunlicherweise der Komponist Daniel-François

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