Von Napoleon lernen, wie man sich vorm Abwasch drückt: Eine heitere Historie Europas (German Edition)
Wirtschaftsform, mit der Frankreich in dieser Zeit groß geworden ist. Man versuchte, die eigenen Waren in die ganze Welt zu verkloppen, verhinderte aber mittels hoher Schutzzölle, dass fremde ins eigene Land kamen.
Am einfachsten funktioniert dieses Prinzip, wenn man etwas herstellt, um das sich die Welt reißt. Und das gelang Louis XIV bravourös. Alles, was an Möbeln und Kleidung aus Frankreich kam, musste man haben, ob man nun in Russland, Österreich oder Preußen ein Schloss ausstatten wollte.
Diese Abschottungspolitik ist selbst noch bis zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft angesagt. So konnte Kurt Tucholsky in seinem Gedicht «Europa» 1932 wunderbar lästern:
Am Rhein, da wächst ein süffiger Wein –
der darf aber nicht nach England hinein –
Buy British!
In Wien gibt es herrliche Torten und Kuchen,
die haben in Schweden nichts zu suchen –
Köp svenska varor!
In Italien verfaulen die Apfelsinen –
lasst die deutsche Landwirtschaft verdienen!
Deutsche, kauft deutsche Zitronen!
Und auf jedem Quadratkilometer Raum
träumt einer seinen völkischen Traum,
Und leise flüstert der Wind durch die Bäume …
Räume sind Schäume.
Als Louis XIV 1715 stirbt, war er zweiundsiebzig Jahre an der Macht, das könnte höchstens noch Queen Elizabeth II in Großbritannien schaffen. Auch Kolonien konnte sich der selbstbewusste Sonnenkönig einverleiben. Wenn man heute im Süden der USA in Louisiana weilt und sich auf den Spuren der Amerikaner wähnt, ist man doch eigentlich auf den Spuren der Franzosen unterwegs, denn wie Kanada gehörte auch diese Ecke zu den Kolonien Frankreichs und ist zu Louis’ Ehren nach ihm getauft worden.
Am Ende soll Louis fürchterlich gestunken haben, nicht nur wegen der Unart, nicht zu duschen, sondern auch, weil ihn seine Leibärzte überredet hatten, sich sämtliche Zähne ziehen zu lassen, angeblich mit dem Argument, Zähne seien Infektionsherde. Nach der schmerzhaften Operation konnte er nicht mehr kauen und deshalb nicht verdauen. Er furzte und rülpste, seine Kleidung war von Speisen und Getränken besudelt. Schließlich starb er, der immer so stolz auf seine schönen Beine gewesen war, an einer Entzündung am Bein.
Empört euch!
So wie in Preußen viele Könige Friedrich hießen, blieb man in Frankreich gerne bei Louis, das nützte dem sechzehnten und letzten Louis nichts mehr, er wurde, wie wir ja bereits im letzten Kapitel erfahren haben, 1793 geköpft.
Im Vorfeld seines martialischen Endes hatte sich die größte und spektakulärste Revolution überhaupt ereignet, deren Datum jedes Schulkind auswendig lernen muss: 1789 . Hätte dieser Louis das gute alte Wohlstandsprogramm von Heinrich IV . beherzigt, das jedem Bauern einmal pro Woche ein Huhn im Kochtopf versprach, wäre sicher nichts passiert. Doch in Paris brach die Versorgungslage zusammen, und wenn die Franzosen eines können, dann ist es, sich zu empören. Und zu Recht: Vor der Französischen Revolution verfügten zwei Prozent der Bevölkerung über fünfundsiebzig Prozent des Grundbesitzes. Heute verfügen in Deutschland allein die zehn reichsten Personen über mehr Vermögen als die ärmsten fünfzig Prozent der Gesamtbevölkerung. Aber das Empören fällt uns schwer.
Die Franzosen haben indes sofort Nägel mit Köpfen gemacht. Hätten sie mit ihrer Revolution noch etwas gewartet, hätte ihnen Oscar Wilde zurufen können: «Die Revolution ist die erfolgreiche Anstrengung, eine schlechte Regierung loszuwerden und eine schlechtere einzurichten.» So mussten sie selbst die Erfahrung machen. Dabei begann alles so verheißungsvoll. Die Philosophen Rousseau und Montesquieu schufen ein neues, in sich stimmiges Weltbild, innerhalb dessen alle Menschen als gleich angesehen wurden und die gleichen Rechte hatten. Die Gewalten sollten geteilt werden und sich gegenseitig kontrollieren. Das klang verlockend.
Nach dem Sturz Louis’ kam jedoch der Philosoph und Politiker Robespierre mit seinen Jakobinern an die Macht: Das neue Terrorregime in Frankreich gab sich den Namen «Wohlfahrtsausschuss», ein perfider Name, der in seiner inversen Bedeutung aus der Feder George Orwells hätte kommen können. Denn bei ihm ging es nicht um die Verteilung von Sozialleistungen, sondern um die Beseitigung aller, die der Revolution im Weg standen. Die Revolution hat immer wieder ihre Kinder gefressen, als wäre es ein Naturgesetz. Trotzdem probieren es die Menschen immer aufs Neue.
Vielleicht ahnte
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