Von Napoleon lernen, wie man sich vorm Abwasch drückt: Eine heitere Historie Europas (German Edition)
jetzigen EU , und auch gerne noch ein paar nette Europäer mehr? Selbst wenn die inzwischen zur Vernunft gekommenen Isländer mitmachten, Norwegen und Kroatien, wären die USE mit dreißig Staaten noch übersichtlich im Vergleich zu den USA mit fünfzig Staaten.
Es muss natürlich ein demokratisches und föderalistisches Europa sein, ganz so, wie unsere gute alte Bundesrepublik aufgebaut ist. Im Grunde würde sich für uns nicht mal viel ändern, nur dass dieses bewährte Prinzip auf ein Europa der Regionen ausgeweitet wird. Wie sieht es denn jetzt aus?
Wir leben zunächst in einer Kommune. Hier kennen wir jeden Schleichweg, die besten Badestellen und wissen, wo man wirklich gut essen gehen kann. Diese Kommune hat in den Vereinigten Staaten Europas wie heute eine Bürgermeisterin, einen Bezirksbürgermeister, wie auch immer.
Außerdem wohnen wir in einer Region, im Moment nennen wir sie noch Bundesland. Auch diese Region prägt stark unser Selbstverständnis, schließlich werden wir, kaum dass wir etwas weiter gereist sind, als Bayern, Berlinerinnen oder Rheinländer wahrgenommen.
Und schließlich gibt es noch unser Land, den deutschen Staat mit seiner Regierung in Berlin und den Politikern, die uns so gerne auf den Wecker gehen. Auch das würde sich nicht ändern. Was sich ändern würde, ist das, was darüber kommt und was jetzt noch sehr undemokratisch ist. Die jetzige « EU -Regierung», auch wenn sie sich nicht so nennen mag, ist die Kommission, die eben nicht direkt vom Volk gewählt wird, sondern in die jede nationale Regierung einen EU -Kommissar schickt. Meist handelt es sich dabei um Politiker, für die man daheim keine Verwendung mehr hat.
Das ist doch kein Zustand! Die Besten sollten nach Europa gehen, nicht Vorruheständler und Parteifreunde, die man loswerden will. Aber vielleicht wird der Traum im – sagen wir einfach mal – Jahr 2022 Wirklichkeit. An einem freundlichen Sonntag im September, in dem es nur in Irland ein bisschen regnet, schreiten die Europäer zu den Wahlurnen. Inzwischen haben sich die bis dato nationalen Parteien zu europäischen Parteien zusammengefunden, die Unterschiede waren eh nie groß, und so hat man auf dem Wahlzettel die Möglichkeit, sein Kreuz bei den Konservativen zu machen, bei den Sozialisten, die bei uns Sozialdemokraten heißen, bei Grünen oder Piraten und einigen erfolgreichen neuen Parteien wie den Föderalisten oder den Vegetariern. Die neuen Abgeordneten nehmen auf den Stühlen im Europäischen Parlament Platz, das jetzt endlich den Präsidenten wählen darf. Es wird eine Präsidentin. Ein Bündnis aus drei Parteien erreicht die absolute Mehrheit. Sie würden eine echte Regierung stellen, da sie die meisten Stimmen der Europäer für sich gewinnen konnten. Das wäre mal wirklich demokratisch.
Was Macht mit uns macht
Wenn wir uns einig sind, dass alle Macht vom Volke ausgehen soll, ist das Wichtigste geklärt. Wir haben ja inzwischen einige Regierungsformen in Europa ausprobiert, so einige hatten ihre Chance, und fast alle haben sie verpatzt: Als die längste Zeit Könige regierten, stopften sie sich die Taschen bis zum Platzen voll, während alle anderen durch den Schlamm kriechen mussten. Als die Kirche das Sagen hatte, stopften sich Bischöfe, Kardinäle und der Papst die Taschen bis zum Platzen voll. Als Grundbesitzer alle Macht in den Händen hielten – und wo sie sie heute noch haben, hat sich das nicht geändert –, stopften sich Junker und Plantagenbesitzer und heute Lebensmittelkonzerne ebenfalls das Geld in die Taschen. Wenn die Märkte die Macht haben, stopfen sich Investmentbanker, Fondsmanager und Bankvorstände das Geld in Taschen, Villen, Autos und Yachten, und die einfachen Leute verlieren ihre Jobs und Häuser.
Aber selbst die kleinen Leute haben ihre Chance vergeigt. Das Scheitern der proletarischen Revolution 1918 ist besonders peinlich, denn endlich – zum ersten Mal in der europäischen Geschichte – übernahmen die einfachen Leute, die Arbeiter, die Macht. Innerhalb kürzester Zeit lebten die Menschen aber unfreier denn je.
Macht korrumpiert, und wer auch immer sie bisher allein ausübte, konnte, das beweist der Blick in die Geschichte, nicht mit ihr umgehen. Deshalb ist Machtbegrenzung bzw. Machtverteilung das Beste, was man tun kann. In diesem Zusammenhang sind die Rücktritte des Bundesverteidigungsministers zu Guttenberg und auch des Bundespräsidenten Christian Wulff ein Sieg der Republik mit ihren Regeln, an die sich alle
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