Von Natur aus kreativ
kapituliert nicht angesichts der vielen Funktionen seines Computers, seines Handys, seines TV-Gerätes? Kreativität entfaltet sich überall, doch nicht überall ist sie nützlich oder entspricht dem menschlichen Maß.
José Ortega y Gasset: Gespräch beim Golf. Vier Essays, Wiesbaden: Insel 1957 (zuerst 1916 und 1925).
In den vier Essays des spanischen Philosophen geht es um personale Identität und um ästhetische Prinzipien, darum etwa, dass ein Gesicht auch als schön bezeichnet werden kann, wenn einzelne Elemente alles andere als schön sind; durch die Beziehung der verschiedenen Elemente kann eine Gestalt entstehen, die man als schön empfindet. Ortega y Gassets Essays zeigen auch, dass man aus jeder Situation kreative Potenziale schöpfen kann, in der Straßenbahn oder aus einem Gespräch beim Golf. Man muss nur bereit sein, seine kreativen Potenziale zu nutzen.
Rolf Pfeifer & Josh Bongard: How the Body Shapes the Way We Think. A New View of Intelligence, Cambridge: MIT Press 2007.
Endlich wird auch einmal aus einer ganz anderen Perspektive deutlich gemacht, dass wir nicht nur „Denkwesen“ sind, wie es die Philosophie von René Descartes nahelegt. Wir haben auch einen Körper, und aus der Körperlichkeit leiten sich kognitive Prozesse ab. Damit versetzt die Robotik der klassischen künstlichen Intelligenzforschung den Todesstoß, in der man meinte, man bräuchte nur das explizite Wissen, um uns zu simulieren. Wir sind mehr als nur Automaten, die Symbole verarbeiten. Es ist spannend zu beobachten, dass uns Hirnforschern gerade aus der Robotik Bündnispartner zuwachsen.
Ernst Pöppel: Lust und Schmerz. Über den Ursprung der Welt im Gehirn, 2. Auflage, Berlin: Siedler 1993 (zuerst 1982).
Sind Lust und Schmerz eigentlich Gegensätze? Könnte es nicht sein, dass in unserem Erleben, was immer es auch sei, stets beides gleichzeitig aber mit unterschiedlicher Intensität enthalten ist? Hierfür spricht in der Tat einiges. Deshalb sollten Lust und Schmerz nicht als Gegenpole angesehen werden,sondern als etwas Gemeinsames. Wenn am Erleben weder das Positive noch das Negative, weder das Lustvolle noch das Schmerzhafte beteiligt ist (und dies muss nicht auf einer bewussten Ebene der Fall sein), dann befindet man sich im Zustand der absoluten Gleichgültigkeit, wie es typisch für eine schwere Depression oder für ein Burn-out ist. Die Gefühle werden blass, man kann nichts mehr behalten, es fehlt der Antrieb, etwas zu tun, und auch die Wahrnehmungen verlieren ihre Intensität. Das ist alles kein erstrebenswerter Zustand. Unsere optimale „Erlebensmitte“ liegt nicht zwischen den Polen Lust und Schmerz, es sind beide Dimensionen in allem enthalten, was unser Seelenleben ausmacht. Verliert sich das Gleichgewicht zwischen Lust und Schmerz und kippt in die eine oder andere Richtung, dann entstehen Wollust oder Qual. Wollust und tiefer Schmerz sind Grenzerlebnisse, in denen die innere Balance aufgehoben ist. Bemerkenswert ist aber, dass diese Grenzerlebnisse manchmal nicht mehr zu unterscheiden sind, nämlich in der Qual der Lust und der Lust der Qual.
Ernst Pöppel: Grenzen des Bewusstseins. Wie kommen wir zur Zeit und wie entsteht Wirklichkeit? Überarb. Neuaufl., Frankfurt (Main): Insel 1997 (zuerst 1985).
Unser Weltbild ist beschränkt, unser Zugang zur Wirklichkeit eng. Dies ergibt sich allein aus der Tatsache, dass unsere Sinnesorgane nur kleine Ausschnitte der Welt erfassen können. Für den größten Teil dessen, was uns umgibt, sind wir blind und taub, und unsere Kompetenz beim Riechen ist beschämend verglichen mit unserem Hund. Forschung dient vor allem auch dem Zweck, diese Begrenztheit zu überwinden: Wir erfinden Mikroskope und Teleskope, damit wir besser, genauer sehen können. Trotz der offenkundigen Grenzen finden wir uns aber irgendwie in der Welt zurecht. Das gelingt insbesondere dadurch, dass das Gehirn zeitsensitive Programme entwickelt hat, die zum einen der Definition von Ereignissen dienen und zum anderen zeitliche Inseln der subjektiven Gegenwart schaffen. Solche Zeitfenster dauern beim Menschen etwa drei Sekunden, und in meinem Buch schlage ich vor, den Zustand „bewusst“, das „Bewusstsein“, auf der Grundlage dieser zeitlichen Mechanismen zu definieren. Meine Definition von „Bewusstsein“ ist also keine philosophische, sondern eine operative, die sich an Beobachtungen im Verhalten und Erleben orientiert.
E rnst Pöppel: Der Rahmen. Ein Blick des Gehirns auf unser Ich,
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