Von Natur aus kreativ
Haus ein Ziergarten, hohe Tannen, Fischteich und Hühnerstall. Auch ein süßer Hund namens Seppl bevölkerte das „Paradies“. Für das Trümmerjahr 1947 ein geradezu wahnsinniger Luxus. Bei der Hochzeit hatte sich Steinhauer ebenfalls nicht lumpen lassen, wie dem Hamburger Abendblatt vom 2. Februar 1949 zu entnehmen ist: „35000 Reichsmark kostete die Hochzeitsfeier Steinhauers auf einem Hamburger Hotelschiff.“
Wie war er zu diesem Geld gekommen? Offenbar hatte er Schwarzgeschäfte mit Autoreifen laufen gehabt, zusammen mit Robert Amelung, seinem ehemaligen Schmiedegesellen. Schwarzgeschäfte aber waren bei hoher Strafe verboten. Der jugoslawische Journalist Nikolitsch kam Steinhauer nun gleich zweimal in die Quere. Zunächst drohte er, ihn wegen seiner Schiebereien anzuzeigen. Dann, noch schlimmer, mischte er sich offenbar auch noch in sein Privatleben ein: „Steinhauer war eifersüchtig auf Nikolitsch, der seiner Frau zweimal zu nahe getreten war“, berichtete das Hamburger Abendblatt vom 11. Dezember 1948. Was das genau hieß, weiß man nicht, nur so viel: Nikolitsch war jung und als Frauenheld bekannt. Er galt als gutmütig, heiter und liebenswert, wenn er nüchtern war, aber als unberechenbar, brutal und streitsüchtig im betrunkenen Zustand. Steinhauers junge Gattin ließ es sich gerne gefallen, dass sie von Nikolitsch charmant umgarnt und angeflirtet wurde. Vielleicht bekam es Steinhauer mit der Angst zu tun, dass sich der betrunkene Nikolitsch eines Tages einfach das nehmen würde, wonach ihm gelüstete. Vielleicht hatte Steinhauer auch Angst, dass seine Frau nicht einmal neinsagen würde, denn aufgrund ihres Altersunterschieds war er misstrauisch und voller Angst, sie zu verlieren. Alles zusammengenommen eine gute Basis, damit aus dem Herzen eine Mördergrube wird.
Im Allgemeinen kann man sagen, dass sich angenehme Gefühle meist von alleine wieder relativeren, wenn man sie nicht aktiv am Leben erhält, während schlimme, unangenehme Gefühle meist aktiv beseitigt werden müssen, indem man die auslösende Situation kreativ verändert. Dies ist auch das Prinzip der Traumatherapie: Indem man über die Situation in einer vertrauten, sicheren Umgebung noch einmal spricht, werden die quälenden Bilder mit der Gegenwart verknüpft, in der man mit seinen Ängsten nicht mehr alleine ist. Das Erlebte wird sozusagen in einen neuen Rahmen gesetzt. Steinhauer wählte allerdings eine besonders radikale Form, um seine unangenehmen Gefühle kreativ zu beseitigen.
Aus heiterem Himmel wurden ihm 75000 Reichsmark und kurz darauf – nach der Währungsreform von 1947 – noch einmal 200 DM geboten, wenn er Nikolitsch aus dem Weg räumte. Der Journalist hatte sich auch in einer anderen Frauengeschichte Feinde gemacht. Offenbar galt Steinhauer auch nicht gerade als zimperlich. Ein Mord war ihm bis dahin allerdings noch nicht anzuhängen gewesen. Doch jetzt, da es auch noch bezahlt würde, wenn er seinen Nebenbuhler aus dem Weg räumte, begann er, zusammen mit Amelung den mörderischen Plan zu entwerfen: Sie wollten zunächst gemeinsam mit Nikolitsch durch Bars und Bordelle ziehen, um dann in einem günstigen Moment den Auftrag auszuführen. Wenn man sie sehen würde, wie sie mit dem Journalisten freundschaftlich beim Bier zusammensitzen, würde sie niemand mit dem Tode Nikolitschs in Verbindung bringen, so dachten sie. Eine naive Vorstellung. Ein weiterer wichtiger Bestandteil ihres Plans: Die in der Alster versenkte Leiche durfte nicht aufgefunden werden.
Was die beiden nicht bedacht hatten: Etwa ab dem siebten Tag zersetzt sich der Körper, und es bilden sich Fäulnisgase. Die können einer Wasserleiche so viel Auftrieb geben, dass sie zurück an die Oberfläche steigt. Abgesehen davon war der Plan nicht ganz dumm und entbehrte nicht einer gewissen Kreativität, die eben nicht nur für Gutes eingesetzt werden kann. Und vor allem zeigt die Geschichte, dass extreme Gefühle auf Dauer nicht zu ertragen sind, weshalb man sich etwas einfallen lässt, um wieder in einen normalen, „mittleren“ Spannungszustand zu gelangen. Die Kreativität als Werkzeug, um die Homöostase zu erlangen – dafür ist diese Geschichte ein Musterbeispiel.
Gefühle werden oft als „positiv“ oder „negativ“ gekennzeichnet. Aus Sicht der Natur gibt es diese Wertmaßstäbe nicht. Vielmehr sind Gefühle einfach nur Indikatoren dafür, dass ein Gleichgewicht gestört ist. Angst, Furcht, Ekel und auch Eifersucht, obwohl Letztere nicht zu
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