Von Natur aus kreativ
Kommunikationsabteilung von Siemens in Deutschland. Frauen in Führungspositionen sind heute noch in der Minderzahl – etwa wenn man bedenkt, dass die großen Unternehmen es bis zum Jahr 2012 gerade einmal auf einen Frauenanteil von 3,7 Prozent in den Vorständen geschafft haben. Sich hier zu behaupten, erfordert auch Kreativität, erzählt Maria Reinisch mit einem Augenzwinkern.
Wagner: Wie fühlt man sich in leitender Position unter Männern?
Reinisch: Die Konstellation ist für mich zunächst gar nicht so ungewohnt, ich bin mit drei Brüdern groß geworden und habe durch sie viele männliche Facetten kennengelernt. So war ich richtig gut im Fußballspielen, das hat den Jungs imponiert. Aber das täuscht nicht darüber hinweg, dass man sich in so einer Position schon durchsetzen und behaupten muss. Eine große Herausforderung ist aus meiner Sicht tatsächlich die – man mag schmunzeln – Kommunikation zwischen den Geschlechtern. Mein persönliches Rezept dafür lautet, Ausdrucksweise und Umgangsformen der Männer wie eine Fremdsprache zu lernen und anzuwenden.
Wagner: Wie können wir uns das vorstellen?
Reinisch: Ich bin von Natur aus emotional und intuitiv, was der nüchtern-sachlichen Betrachtungsweise so mancher männlichen Kollegen widerspricht. Will ich überzeugen, muss ich deswegen Fakten und Zahlen heranziehen und meiner Intuition beispielsweise in Form einer Excel-Tabelle Ausdruck verleihen. Dann funktioniert es. Mit Sprachkenntnis, Klarheit, Wertschätzung und Humor wird man zu einem guten Dolmetscher zwischen den Welten.
W agner: In mir entsteht das amüsante Bild, wie du, eine zierliche Frau, als Dompteurin inmitten von Löwen stehst. Du hast sie geschickt im Griff, aber dennoch herrscht eine ständige unterschwellige Unruhe.
Reinisch: So weit würde ich nicht gehen, dass man Männer zähmen muss, sondern ich sehe mich vielmehr als Dirigentin. Ich muss in meinem Bereich darauf achten, dass die Töne gemeinsam richtig zum Klingen kommen. Mit all den kreativen Kompetenzen, die mir zur Verfügung stehen.
Pöppel: Liebe Maria, du bist unermüdlich unterwegs. Du bist im weltweiten Marketing zu Hause, entwickelst und spielst Kabarettprogramme, lehrst junge Masterstudenten, trittst auf Kongressen als Sprecherin auf – gleichzeitig bist du eine hohe Führungskraft bei Siemens und Mutter von zwei Kindern. Bislang bin ich davon ausgegangen, dass es ein Grundbedürfnis von Menschen ist, mithilfe von Kreativität zur Mitte zu finden. Doch bei dir habe ich den Eindruck, du sprintest vor allem kreativ an deine Grenzen.
Reinisch: Mich interessiert viel, und ich bin immer mit Leidenschaft dabei. Mein Vater hat immer gesagt, du musst alle Fähigkeiten, die Gott dir geschenkt hat, auch nutzen. Sie sind eine Verpflichtung. Eine Verpflichtung, die das Leben natürlich vielfältig macht und kreativ Neues entstehen lässt. Aber auch Anstrengung erfordert.
Pöppel: Dein Vater Leonard Reinisch hat von 1973 bis 1989 das Nachtstudio des Bayerischen Rundfunks geleitet. Das klingt doch sehr solide?
Reinisch: Na ja, viele der intellektuellen und geistigen Vordenker und Würdenträger Deutschlands waren in regem Kontakt mit meinem Vater. Der war ein sehr kluger und ein aktiver Gastgeber und lud die Menschen gerne zu uns nach Hause ein. So kam es, dass ich dem heutigen Papst Kaffee gekocht habe – damals war er noch Kardinal von München und Freising. Als kleines Kind sieht man die Menschen natürlich mit anderen Augen. Damals fand ich diese Gespräche ziemlich langweilig.
Pöppel: Das ist interessant, die großen Persönlichkeiten mit Kinderaugen gesehen.
R einisch: Ja, in der Rückschau ist es schon spannend. Doch damals waren für uns die Großen der Zeitgeschichte, die bei uns ein und aus gingen, eher lästig – wir wollten draußen Hockey spielen. Aber es gab auch einprägsame Szenen: Als mein Vater einmal ein Fest gab, stand ein bekannter Literaturkritiker vor der Haustür. Uneingeladen! Ich sollte ihm sagen, dass er nicht zu den Gästen gehört. Aber der schob mich beiseite und drängte sich in unser Haus, bis ihn dann mein Vater – noch in Unterhosen – verjagte.
Pöppel: Auch solche Kindheitserlebnisse sind prägend.
Reinisch: Ich weiß nicht, ob es daher kommt, aber ich habe wenig Angst, mich den Normen zu widersetzen. Das ist wichtig für die Kreativität. Ich trage zum Beispiel gerne bunte Kleidung. Das fällt in der Ingenieurswelt ziemlich auf. Bei einer Vertriebstagung habe ich einmal etwas ganz
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