Von Natur aus kreativ
Verwegenes gemacht: Ich bin in Lack und Leder auf die Bühne gegangen! Dann habe ich über die Sängerin Madonna gesprochen, über ihr Erfolgsrezept, wie es ihr über Jahrzehnte hinweg gelungen ist, Märkte zu verstehen und Trends zu setzen. Madonna ist mutig. Ich war es auch – mit meinem Outfit und einem fundierten Vortrag. Die Botschaft an die Vertriebler war entsprechend – man muss seine Kunden verstehen und darauf aufbauend auch Neues wagen. Viele erinnerten sich noch nach Jahren an meinen Auftritt – an die Form und an die wesentlichen Punkte. Seitdem verwende ich viel Kreativität auf die Form meiner Vorträge.
Pöppel: Du bist eine Führungskraft. Dürfen deine Mitarbeiter auch ihre Grenzen ausloten, um kreativ zu sein?
Reinisch: Damit Menschen kreativ sein können, brauchen sie Wertschätzung und Freiraum. Ich versuche eine Atmosphäre zu schaffen, in der man sich wohlfühlt und lachen kann. Wo man probieren darf, auch mal etwas Dummes sagen kann, ohne sich eine Blöße zu geben. Keiner wird in eine vorgesetzte Form gezwängt. Denn wer nur eine Rollenerwartung erfüllt, kann sich ja nur in einer Mikrokreativität austoben und wird nicht über sich hinauswachsen.
Pöppel: Hast du einen Mittelpunkt, an dem du innerlich zu Hause bist?
R einisch: Wenn ich leidenschaftlich kreativ bin und über meine Grenzen hinauswachse, sehe, wie etwas Neues entsteht, dann bin ich lebendig und spüre meine Mitte, insofern bestätige ich deine Idee. Allerdings kann ich dort nie lange bleiben. Ich brauche die Bewegung und muss immer weiter. Ich befinde mich quasi im Durchlauf der Mittigkeit. Das ist meine Stärke, macht mich aber auch angreifbar, auch das ist mir bewusst.
Die Qual der Liebe
Warum Mordgelüste zur Kreativität verführen können
Angst, Furcht, Ekel und Eifersucht gelten als negative Gefühle. Doch sie sind gleichzeitig Indikatoren dafür, dass ein inneres Gleichgewicht gestört ist. Negative Gefühle sind daher notwendig für die eigene Existenz, denn sie setzen den Motor der Kreativität in Gang, um den schlechten Zustand wieder zu verbessern. Dazu kann im Extremfall sogar ein Mord dienen, wie das folgende Beispiel zeigt.
„Hamburg. In der Nacht vom 30. zum 31. Oktober 1947 jagte ein Auto durch die Stadt. Drei schwer angetrunkene Männer saßen darin: Peter Nikolitsch, Peter Steinhauer und Robert Amelung. In der Bebelallee hielt der Wagen. Der ahnungslose Nikolitsch wurde hier von Steinhauer und Amelung mit einem Gummihammer zusammengeschlagen, auf den Hintersitz geworfen, und als er sich dann noch verzweifelt wehrte, mit einem Taschentuch erstickt und zugleich erwürgt. Dann wurde der regungslose Nikolitsch mit schon vorher in der Isestraße gesammelten Ziegelsteinen beschwert und in die Alster geworfen.“ So weit der Verlauf eines Mordes, nachzulesen im Hamburger Abendblatt vom 2. Februar 1949. Die Geschichte endete am 11. Mai 1949 um 14.30 Uhr, und zwar mit der Guillotine im Hof des Untersuchungsgefängnisses Hamburg-Stadt: „Die Hinrichtung wurde durch den Scharfrichter Hehr aus Hannover, der dieses Amt bereits seit 40 Jahren ausübt, vollzogen. Hehr, ein Mann von über 70 Jahren, wurde durch drei Gehilfen unterstützt.“ Nur zwölf Tage später, am 23. Mai 1949, wurde mit der Verkündung des Grundgesetzes die Todesstrafe in Westdeutschland abgeschafft. Damit war Peter Steinhauer der letzte Mensch, der aufgrund der Anordnung eines westdeutschen Gerichts hingerichtet worden ist.
Die Geschichte des Mordes an Peter Nikolitsch ist eine von Liebe und Eifersucht. Sie gibt uns auch Aufschluss über die Rolle von Gefühlen als Motor für die Kreativität. Es ist oft ein Ansporn für Kreativität, sein inneres Gleichgewicht wiederherstellen zu müssen. Und Steinhauer war ganz und gar nicht in seiner inneren Mitte. Er hatte mit Eifersucht und Angst zu kämpfen, zwei Gefühlen, die das Leben eines Menschen seinem Griff zu entwinden drohen. Damit zeigt diese Geschichte, dass Kreativität nicht immer nur etwas Gutes ist, sondern dass es auch „negative Kreativität“ gibt.
Steinhauer war vor dem Krieg Direktor einer namhaften Reifenfirma in Hamburg gewesen und in zweiter Ehe mit einer jungen bildhübschen Frau verheiratet, einer Krankenschwester. Diese Frau liebte und vergötterte er. Er wollte ihr alles Menschenmögliche bieten. Für sie baute er ein Wochenendhäuschen in Timmerhorn zu einem kleinen Anwesen aus. An der Eingangstür ein Schild mit der Aufschrift „Unser Paradies“. Hinter dem
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