Von Natur aus kreativ
öffentlich über Darmkrebs zu sprechen, als das Thema noch streng tabuisiert war, womit sie bereits vielen Menschen das Leben gerettet hat. Mut war auch die Eigenschaft, die bei Maria Reinisch herausstach, als sie sich mit uns über Kreativität unterhielt. Sie wagte sich an die Spitze des Marketings in einem von Männern dominierten Weltkonzern, um dort nicht nur kreativ zu sein, sondern Entscheidungen auch mutig umzusetzen.
Ich musste mich auf die Herausforderung vollständig einlassen
Ein Gespräch mit Christa Maar
Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass manche Dinge verschwiegen werden. Als ein solches Tabu galt der Darmkrebs. Man sprach nicht darüber, ließ sich nicht untersuchen und verpasste so seine Heilungschancen. Doch Dr. Christa Maar überschritt einfach die Grenzen des sogenannten Anstands und startete vor elf Jahren eine Aufklärungskampagne, denn sie hatte einen persönlichen Auftrag. Und der war wichtiger als die Scham, erzählte sie Ernst Pöppel in einem Gespräch beim Besuch ihres Stammitalieners „Trattoria Alba“ in München-Bogenhausen.
Pöppel: Vor etwa zwanzig Jahren hast du die „Akademie zum dritten Jahrtausend“ gegründet, ein interdisziplinäres Forum für Forscher und Denker, um Visionen für die Zukunft zu entwickeln. Seitdem kennen wir uns. Die Zusammenarbeit änderte sich aber schlagartig, als dein Sohn Felix mit gerade einmal 31 Jahren Darmkrebs bekam, woran er dann trotz aller ärztlichen Bemühungen gestorben ist. Daraufhin wurde die Felix Burda Stiftung gegründet, unter anderem mit dem Ziel, die Menschen über die Notwendigkeit einer angemessenen Vorsorge zu informieren. Wie schafft man das eigentlich, gegen gesellschaftliche Widerstände eine solche Aufklärung durchzuführen?
Christa Maar: Es gab zu Beginn wirklich unglaubliche Widerstände. Allein das Wort in den Mund zu nehmen war unmöglich. Wenn zum Beispiel die Oma daran gestorben war, sprach man lieber von Leberkrebs, obwohl es Lebermetastasen eines Darmkrebses waren. Von Dickdarmkrebs zu sprechen, empfanden die meisten Menschen als peinlich. Und das schadete natürlich der Bereitschaft zur Vorsorge, abgesehen davon, dass viele bis dahin weder etwas über Darmkrebs noch über die Möglichkeit der Vorsorge wussten. Auch viele Ärzte zweifelten daran, dass uns gelingen würde, was sie dreißig Jahre lang nicht geschafft hatten: das Thema in die Öffentlichkeit zu bringen.
P öppel: Wenn man in einen so stark tabuisierten Bereich eindringen möchte, verlangt das doch den kreativen Einsatz der ganzen Person?
Maar: Ich musste mich auf die Herausforderung vollständig einlassen, also auch eine neue „Innenperspektive“ entwickeln und mir beispielsweise die Rolle zu eigen machen, dass man mich künftig immer mit Darmkrebs in Verbindung bringen würde. Und darüber hinaus musste ich natürlich Risiken und Chancen des Unternehmens abschätzen und eine geschäftsmäßige „Außenperspektive“ einnehmen.
Pöppel: Und dabei geht es ja auch um Beharrlichkeit.
Maar: Natürlich. Kreativität bedeutet nicht nur, etwas zu entwickeln, sondern es auch durchzuboxen. Ohne diesen Willen, die Widerstände von außen zu überwinden, bleibt alles Gedankenspielerei. Ich habe früher Filme gemacht und hatte zunächst keine Ahnung, wie das geht. Ich hatte keinerlei Ausbildung dafür. Aber wenn ich ein Ziel habe, habe ich auch die Überzeugung: „Ich schaff das!“ Und so war das auch mit der Felix Burda Stiftung. Als wir sie gegründet haben, war mir das Ziel klar, aber nicht, wie man es erreicht. Und das ist für mich ein ganz wesentliches Merkmal von Kreativität: Sie verlangt, etwas zu tun, ohne explizit zu wissen, was man genau macht und wie man es am besten machen sollte. Es ist ein Lernprozess, learning by doing.
Pöppel: Kreativität ist für dich ohne Handlung und Umsetzung undenkbar.
Maar: Ja, die kreativsten und brauchbarsten Einfälle entstehen meist erst als Reaktion auf die Herausforderung, wenn man gezwungen wird, etwas zu tun. Bei dieser Methode kommt man mit seinen Fähigkeiten natürlich auch manchmal an seine Grenzen. Aber da hilft dann die angeborene Neugier und die Bereitschaft, immer etwas Neues zu lernen.
Pöppel: Kreativität ist also nichts für Feiglinge?
Maar: Absolut nicht, Mut ist für mich eine ganz entscheidende Eigenschaft im Zusammenhang mit Kreativität.
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