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Von Natur aus kreativ

Von Natur aus kreativ

Titel: Von Natur aus kreativ Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Poeppel , Beatrice Wagner
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reglementieren.Moral ist also auch das Resultat einer Wechselwirkung mit den anderen. Aber das Beispiel zeigt deutlich, dass wir mit unserer herkömmlichen Ethik an Grenzen stoßen.
    Wagner: Wir stoßen in vielen Bereichen an unsere Grenzen. Wir vergeuden die Ressourcen der Erde, zerstören die Natur, üben Gewalt gegen Mensch und Tier aus. Kann die Neuroethik helfen, solche Probleme zu lösen?
    Giordano: Wir haben uns im Laufe der Geschichte verändert, und wir können uns auch in Zukunft verändern. Bislang haben wir unsere Moral langsam und eher unbeeinflusst an die Umwelt angepasst. Ich erinnere nur an den Prozess der Zivilisation. Im Laufe von Jahrhunderten haben sich neue Verhaltensweisen eingeprägt, die aber nicht mehr wegzudenken sind. Und nun schauen Sie sich an, was sich alleine in den letzten 20 Jahren alles getan hat. Durch Internet, Smartphones und Google hat sich unsere Lebensweise verändert. Wir sind weltweit permanent miteinander in Verbindung. Das gab es noch nie. Während wir früher die Kunst des Wartens lernen mussten, könnten wir uns nun sekündlich rückversichern. Die Schnelllebigkeit überfordert die Menschen auch. Gleichzeitig haben wir erstmals in der Geschichte die Möglichkeit, gezielt auf unser Gehirn einzuwirken, mit Neuro- und Nanotechnologie.
    Wagner: Halten Sie das für die Lösung?
    Giordano: Nein, aber es wird passieren. Und deswegen können wir nicht mehr warten, bis wir eine neue Moral von selbst verinnerlicht haben. Wir brauchen jetzt eine neue Ethik, also neue Regelsysteme, welche die Moral umsetzen. Die Entwicklung müssen wir selbst in die Hand nehmen.
    Wagner: Sind hier nicht eher die Kirchen gefordert?
    Giordano: Wir brauchen eine progressivere Ethik als die der Kirchen. Außerdem gibt es keine allgemeine Weltreligion, und jede Religionsgemeinschaft hat die Tendenz, ihre eigene Ethik durchzusetzen. Das führt zu Kampf und ist keine universale Grundlage. Deswegen muss die Neuroethik die Verantwortung übernehmen. Sie muss unsere biologischen, psychologischen undsozialen Bedürfnisse genau erforschen und daraus ein neues Ethiksystem entwickeln. Für mich geht das nur, wenn wir auch einen Blick auf das Kosmopolitische werfen, also nicht nur den Menschen in den Mittelpunkt der Betrachtungen stellen, sondern den Menschen inmitten der Natur und des Kosmos. Daran arbeite ich: die bisherige kreative Entwicklung von Moral durch die Natur zu beobachten und nun – ebenfalls kreativ – für die modernen Zeiten zu optimieren.

Das Geschenk der Wiederholung
    Warum Kreativität einen festen Rahmen braucht

    Bislang haben wir Kreativität unter verschiedenen Aspekten betrachtet, die alle etwas mit der Erschaffung von Neuem zu tun hatten, damit, wie man die Potenziale, neue Wege zu beschreiten, in sich entdeckt und schließlich mutig entfaltet. Unsere letzte Geschichte widmen wir der Kontinuität, dargestellt an einer Regensburger Familie, die traditionell in jeder Generation mindestens einen Arzt hervorbringt. Kontinuität ist zunächst einmal nur das Gegenteil von Kreativität. Doch sie ist wichtig, um ein Gleichgewicht und eine Ausgeglichenheit herzustellen und ist somit der notwendige Zwilling von Kreativität.
    Wahrscheinlich stammt Wolfgang Pförringer, Professor für Orthopädische Chirurgie, aus einer der ältesten Arztfamilien Deutschlands. Verbürgt ist dies zumindest bis ins Jahr 1769, als der Urahne Johann Martin Pförringer als Bader und Wundarzt in Regensburg tätig gewesen war und später sogar Napoleon I. behandelt hatte.
    „Es war im Jahr 1809 während des fünften Kolonialkrieges“, erzählt Wolfgang Pförringer. „Napoleon hatte vor den Toren von Regensburg einen Schuss in den Unterschenkel bekommen. Der französische Feldscher vermochte die Kugel nicht zu entfernen, weshalb man den Wundarzt Johann Martin Pförringer hinzuzog, der als geschickter Chirurg bekannt war. Damit war er der einzige Arzt, den Napoleon je wegen einer Kriegsverletzung hatte aufsuchen müssen.
    Als Pförringer von dessen Tross gefragt wurde, was man ihm schuldig sei, antwortete er: ‚Behandelt hab ich den Kaiser der Franzosen, Geld nehme ich von einem Franzmann nicht.‘ Mit dieser Antwort hatte mein Urahn mit seinem Leben gespielt. Doch Napoleon, der sehr gut Deutsch verstand, war offenbar von dieser Geradlinigkeit und dem auch ungewöhnlichen Bürgerstolz beeindruckt und antwortete: ‚Voilà, un homme!‘ In die später übersandte Goldmünze war in Napoleons Handschrift ‚Merci‘

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