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Von Natur aus kreativ

Von Natur aus kreativ

Titel: Von Natur aus kreativ Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Poeppel , Beatrice Wagner
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eingraviert worden.“
    Seitdem gab es in jeder Generation mindestens einen Mediziner in der Familie, oft sogar mehrere, sehr häufig waren es Brüder. „Wenn mein Sohn sein Studium beendet hat, ist es entgegen aller Vererbungslehre die achte Generation in Folge“, sagt Wolfgang Pförringer. Unterdrückt so viel Kontinuität nicht auch die Kreativität?
    Zunächst einmal ist Kontinuität tatsächlich das Gegenteil von Kreativität. Wenn über Generationen hinweg die Erwählung eines bestimmten Berufes weitergegeben wird, ist dies eher der Familientradition geschuldet, in die man sich fügt, als eine kreative Entscheidung. Das Gegensatzpaar Kontinuität und Kreativität gibt es auch im neuronalen Bereich. Kontinuität wird durch Konzentration erzeugt: Konzentration ist die Anstrengung, das, was in einem Moment repräsentiert ist, aufrechtzuerhalten und dafür zu sorgen, dass es nicht von etwas anderem abgelöst wird. Damit vermeidet man kreative Gedankenflucht. Manche Menschen springen von einem Einfall zum anderen. Diese mögen alle für sich genommen sehr kreativ sein, aber es fehlt die Kontinuität, die sie zusammenführt.
    In diesem Mechanismus drückt sich das Ökonomieprinzip des Gehirns aus, denn normalerweise ist es nicht notwendig, in jedem Augenblick die Welt neu zu entdecken, so schnell ändert sie sich nicht. Wenn ich jetzt aus dem Fenster blicke, einen Baum sehe, ein Haus, im Hintergrund die Alpenkette und einen blauen Himmel, dann kann ich davon ausgehen, dass im nächsten Moment die Aussicht noch dieselbe ist und sich bestenfalls marginal und vorhersehbar verändert. Das Gehirn geht von der Kontinuität und Homogenität allen Geschehens aus, daran hat es sich in der Evolution angepasst. Das Ökonomieprinzip bewirkt aber auch, dass das Gehirn in seiner Informationsverarbeitung überfordert sein kann, wenn Unerwartetes auftritt oder ein Urteil ineinem nicht etablierten Bezugssystem zu fällen ist. Also ist das mächtige Ökonomiegesetz des Wahrnehmens und Denkens der stärkste Feind der Kreativität, denn um kreativ zu sein, muss man aus einem gewohnten Rahmen heraustreten.
    Aber schauen wir uns die Familiengeschichte der Pförringers weiter an, die genauso wie der Ärzteberuf von Generation zu Generation weitergegeben wird.
    „Mein Großvater Sigmund Pförringer hat in Würzburg studiert, wo Wilhelm Conrad Röntgen damals den Lehrstuhl für Physik innehatte. Und so hatte mein Großvater Ende des 19. Jahrhunderts als erster Arzt einen Röntgenapparat in seiner Praxis – damals noch Universalapparat genannt. Er wurde später Chefarzt eines Versorgungskrankenhauses in Regensburg, dem Haus Ostheim, das in den Kriegsjahren für die Frontverwundeten zuständig war. Fürstin Margarete von Thurn und Taxis war seine erste OP-Schwester, da die adeligen Damen im Ersten Weltkrieg sich sozialen Aufgaben widmeten, um ihre Verbundenheit mit dem Volk und den Soldaten zum Ausdruck zu bringen.“ Wie überrascht war Wolfgang Pförringer, als Anfang des 21. Jahrhunderts seine heutige Lebensgefährtin, Dr. Barbara Stier, ebenfalls Ärztin, ihm erzählte, dass sie eben dieses Haus, das heute als Wohnhaus dient, von ihrem Vater geschenkt bekommen hatte.
    Aber nicht nur Haus Ostheim schlägt eine Brücke in die Vergangenheit, sondern auch das Haus Weißgerbergraben, das 1769 erbaut wurde und seitdem in Familienbesitz ist. Alle Vorfahren Pförringers praktizierten dort.
    Es gibt manche Familien, in denen die heutige Generation kaum mehr etwas von der Vergangenheit der Eltern und der weiteren Vorfahren weiß. Bei Familie Pförringer ist nun genau das Gegenteil der Fall. Wenn Pförringer erzählt, sprudelt eine Geschichte nach der anderen aus ihm heraus. Man merkt, dass die Vergangenheit lebendig gehalten wird und vielleicht deswegen dafür gesorgt hat, dass der Ärzteberuf seit Generationen gelebt wird. Dies zeigt auch die Geschichte, wie der Vater von Wolfgang Pförringer mehrmals knapp überlebte, um dann endlich Arzt werden zu dürfen.
    Wolfgang Pförringer legt ein Foto von ihm vor sich auf den Tisch: „Das ist mein Vater, der erst nach dem Krieg Medizin studierte. Von 1935 bis 1945 war er Berufssoldat und Wehrmachtsoffizier. Im Rahmen des Krieges war er mit seinem Bataillon in Russland mit einer Situation konfrontiert, bei der es zu einem Stau auf der sogenannten Rollbahn kam. Das war ein Synonym für russische Autobahnen, allerdings aus Sand und Sumpf! Bei der Untersuchung des Staus musste er feststellen, dass die

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