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Von Natur aus kreativ

Von Natur aus kreativ

Titel: Von Natur aus kreativ Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Poeppel , Beatrice Wagner
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für Wissenschaft und Industrie. Er prägt das Erscheinungsbild ganzer Stadtteile, vor allem auch in China. Er hat eine Vielzahl an Architekturpreisen gewonnen, er lehrt am Massachusetts Institute of Technology (Cambridge, USA) und ist Inhaber der Professur für Industriebau an der Technischen Universität Dresden. Architektur ist für ihn eine Antwort auf die Bedürfnisse eines Bauherrn: Welche Art von Gemeinschaft soll entstehen, welche Kommunikations- und Kooperationsform sich entwickeln? Dafür werden kreativ ästhetische und nützliche Lösungen gesucht. Ein Besuch bei ihm in der Münchner Augustenstraße.
    Wagner: Sie arbeiten in einem Feld, in dem sowohl Nützlichkeit als auch Ästhetik eine große Rolle spielen. Was ist eigentlich „Ästhetik“ – und wie wirkt sie?
    Henn: Je nach Kultur gibt es unterschiedliche Wahrnehmungen von Ästhetik, aber dennoch gibt es eine Grundübereinstimmung: Überall geht es um Ausgewogenheit, von oben und unten, eng und weit, der faktischen Ordnung. So entstehen Symmetrien. Diese sind etwas Universales in der Natur, sie reichen von Bäumen über Blüten und Schneckenhäuser bis hin zum Antlitz des Menschen.
    Wagner: Machen nicht auch Abweichungen etwas schön?
    Henn: Doch, genau, das ist das nächste Prinzip. Eine vollkommene Wiederholung ist langweilig. Symmetrie bedeutet auch nicht die Wiederholung des Gleichen, sondern ein Gleichgewicht der Formen.
    Wir kennen verschiedene Symmetrien. Zunächst einmal gibt es die Grundrisssymmetrie, die uns Halt gibt, zum Beispiel in der Längsrichtung einer Basilika. Dann haben wir die vertikale Symmetrie: Betrachten Sie einmal den Barcelona-Pavillon, den Mies van der Rohe für die Weltausstellung 1929 entworfen hat. Hier erfassen wir den Grundriss nicht mit einem Blick, aber dafür werden Boden und Decke durchgängig gespiegelt, auch das gibt Halt, denn auf halber Raumhöhe entsteht eine Symmetrieachse. Im Guggenheim-Museum in New York wiederum liegt eine Drehsymmetrie vor. Das Drehzentrum bildet den Mittelpunkt, nach der Drehung um einen gewissen Winkel sieht die Figur wieder genauso aus wie zuvor. Wahrscheinlich würden wir uns dauerhaft in unsymmetrischen Umgebungen nicht wohlfühlen. Wir haben ein Bedürfnis nach einem gewissen Maß an Symmetrie.
    Pöppel: Unsere Vorstellungen von Ästhetik wandeln sich. Worin liegt dies begründet?
    Henn: Wir haben ein Bedürfnis nach Veränderungen. Unsere heutige Gesellschaft ist nicht mehr feudal überwölbt, sodass nur ein Stil vorherrscht. Vielmehr hat sich eine Gleichzeitigkeit von Unterschieden herausentwickelt. Diese kann entweder über viele Jahre hinweg entstehen, sie kann aber auch schlagartig hergestellt werden, weil wir Funktionen koppeln möchten. Betrachten Sie das Konzept eines Flughafens: Es muss die Funktionen „Taxi fahren“, „shoppen“ und „fliegen“ koppeln, wie es Soziologe Armin Nassehi ausgedrückt hat, und beinhaltet deshalb eine Gleichzeitigkeit von Unterschieden. Gleichzeitigkeiten nehmen heute zu, und dies wird häufig als Verunsicherung erlebt. Architektur hat dann die Aufgabe, Instabiles in eine Stabilität zu überzuführen, ohne die Unterschiede zu leugnen. Aus diesem Grund spricht man auch von der „Architektur“ eines Friedensabkommens oder von einer „Sicherheitsarchitektur“.
    Pöppel: Können Sie Ihre Projekte frei gestalten, sofern Sie die anthropologischen Universalia berücksichtigen, also das, was alle Menschen als schön empfinden?
    Henn: Nicht ganz, denn es gilt, auch die kulturellen Spezifika zu berücksichtigen. In China werden immer mehrere Häuser eng aneinander gebaut. Ineinem vereinzelten Haus würden sich die Menschen nicht wohlfühlen und dort wohl gar nicht erst einziehen. Die Straße als solche ist in China eher ein Unraum, für uns hingegen bedeutet sie auch öffentliches Leben. In Japan wiederum müssen die Gebäude voneinander getrennt stehen, da steckt ursprünglich der Brandschutzgedanke dahinter. Heute ist es zu einer sozialen Tatsache geworden. Weitere Besonderheiten, auf die wir Rücksicht nehmen muss, sind klimatische Bedingungen. In heißen Ländern etwa sind kleine Fenster wegen der Sonneneinstrahlung funktional.
    Wagner: Kann man den ästhetischen Sinn trainieren?
    Henn: Wenn man früh damit beginnt, und wenn man dies anwendungsbezogen macht. Deshalb sollte es Architektur als Schulfach geben, um an diesem Gegenstand etwas über Farben, Ästhetik und Haptik im Allgemeinen zu lernen. Doch im ganzen Bildungsprozess fehlt die

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