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Von Natur aus kreativ

Von Natur aus kreativ

Titel: Von Natur aus kreativ Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Poeppel , Beatrice Wagner
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plötzlich aus dem Ozean des impliziten Wissens auf, und dann braucht man eine Antenne, sie zu erkennen, und sollte das Neue nicht zu schnell ablehnen, weil man schon zu wissen meint, dass etwas nicht funktionieren wird. Ich habe den Eindruck, dass manche Menschen in der Tat Angst haben vor einem kreativen Gedanken, der sie aus der Bahn des Gewohnten werfen würde.
    John Brockman (Hrsg.): This Will Make You Smarter. New Scientific Concepts to Improve Your Thinking, New York: HarperCollins 2012.
    Schon lange gibt es das Konzept der zwei Kulturen, dem zufolge sich die inzwischen hochspezialisierten Natur- und Geisteswissenschaften feindlich gegenüberstehen. Ihnen hat John Brockman aus New York sein Konzept einer „dritten Kultur“ gegenübergestellt: die verständliche Vermittlung wissenschaftlicher Ideen. Jedes Jahr stellt er seiner „Gemeinde“ eine Frage, die dann von über 100 Gemeindemitgliedern, zumeist Wissenschaftlern, in kurzer Form beantwortet wird. Die Frage für das Jahr 2011 war, welches wissenschaftliche Konzept jedermanns „Denkkasten“ („cognitive toolkit“) deutlich verbessern würde. Die „führenden“ Wissenschaftler, die Brockman zur Beantwortung seiner Frage einlädt, kommen allerdings fast ausschließlich aus dem angloamerikanischen Raum; aus dem asiatischen ist keiner vertreten. Ob zum Beispiel Anhänger einer Weltregion aus dem asiatisch-arabischen Raum ähnliche Themen aufgreifen würden und wie sie die Fragen beantworten würden, ist völlig offen. Hier zeigt sich wie überhaupt in der Wissenschaft die angloamerikanische Dominanz, vor allem auch, was den Anspruch betrifft, das Weltwissen zu repräsentieren. Diese kritischen Bemerkungen müssen sein, doch ohne Frage ist das neueste Werk von Brockman eine Fundgrube von Anregungen. Gleich der erste Beitrag vonMartin Rees, dem ehemaligen Präsidenten der englischen Royal Society, gibt zu denken: Wir sind geneigt anzunehmen, dass wir gleichsam am Ende der Evolution stehen; etwas Besseres als den Menschen gibt es nicht, was Kreativität und intellektuelle Kompetenz anbelangt. Doch schauen wir uns einmal einige kosmologische Zahlenwerte an: Der Ursprung des Universums wird vor etwa 13,7 Milliarden Jahren angesetzt. Unsere Sonne ist etwa vor viereinhalb Milliarden Jahren entstanden. Leben auf der Erde gibt es seit etwa vier Milliarden Jahren. Aber: Es wird noch etwa sechs Milliarden Jahre dauern, bis unsere Sonne aufhört zu scheinen. Das bedeutet, dass wir noch nicht einmal in der zeitlichen Mitte der evolutionären Prozesse angelangt sind und dass eine unglaubliche Vielfalt weiterer evolutionärer Entwicklungen vor uns liegt. Die durchschnittliche Lebenserwartung von Arten liegt bei etwa vier Millionen Jahren. Wir Menschen werden also in einigen Hundert Millionen Jahren längst verschwunden sein; neues Leben wird sich entfaltet haben, mit sehr viel höherer oder vielleicht auch sehr viel geringerer Kompetenz. Schon Charles Darwin hat darauf hingewiesen, dass keine der lebenden Arten unverändert in einer fernen Zukunft existieren wird. Mit Blick auf die Evolution der Arten ist der Mensch auf eine besondere Weise kreativ, wobei es sich allerdings um eine perverse Kreativität handelt: Durch uns Menschen gehen jedes Jahr etwa 4000 Arten verloren. Damit schaffen wir aber zugleich ökologische Nischen, also Lebensräume, in die hinein sich neues Leben entfaltet. Auch in diesem Sinn ist die menschliche Art, wenn man es langfristig betrachtet, kreativ. Der menschliche Einfluss auf die Umwelt entspricht den Einschlägen jener Meteoriten, die im Abstand von einigen zig Millionen Jahren das Leben auf der Erde vernichten, wie etwa vor 56 Millionen Jahren, als die Dinosaurier ausstarben, wodurch aber neue Lebensräume geschaffen wurden. Das Buch von Brockman endet mit dem Beitrag eines deutschen Gemeindemitglieds, nämlich von mir, in dem ich mich lustig mache über die Inhalte des „Denkkastens“ und diese Inhalte sogar als „mentalen Müll“ bezeichne. Wir verwenden laufend abstrakte Begriffe, die als Verkürzungen das Nachdenken ersparen. So ist der Begriff „Kreativität“ selbst ein solcher undefinierter Begriff: Was meinen wir eigentlich, wenn wir davon sprechen? Auch sind solche Begriffe wie „Evolution“ oder „Gen“ oder „Kultur“ und auch der Begriff „Abstraktion“ selbst Verkürzungen, die es erlauben, über etwas zu sprechen, ohne uns über die inhaltliche Tragweite Rechenschaft ablegen zu müssen.Wir haben eine

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