Von nix kommt nix: Voll auf Erfolgskurs mit den Geissens (German Edition)
Rosen. Dazu jede Menge anderen Krempel, den man den Gauklern aufs Auge drücken konnte. Der Großvater meines Vaters dagegen hat vor neunzig Jahren einen Zigarrenladen am Kölner Hauptbahnhof erworben.
Nach Kriegsende war natürlich vorerst Sense – mit den Kunstblumen und den Zigarren. Alles war kaputt. In Köln war die Zerstörung besonders schlimm! Jeder musste erst mal sehen, ob und wie er überhaupt überleben konnte. Doch durch eine glückliche Fügung lernten sich kurz nach der Stunde Null wiederum meine Großeltern kennen. Beide entdeckten ihre Gefühle füreinander. Und sie entdeckten, dass die Sache mit dem Schaustellerbedarf doch eine Zukunft hatte. Vielleicht sogar mehr denn je! Denn mit den aufkommenden Wirtschaftswunderjahren begann auch der Aufschwung von Volksfesten jeder Art. Die Menschen wollten endlich wieder unbeschwert lachen und ordentlich einen draufmachen. Und Opa und Oma hatten das Zubehör dafür ...
Ein gewisser Geschäftssinn könnte mir demnach durchaus in die Wiege gelegt worden sein. Davon merkte ich aber zum Zeitpunkt des Anrufs meines erbosten Schuldirektors bei Vater nichts. Ich war damals halt ein ziemlich pubertierender Teenager, der weder auf Schule, noch auf Arbeit richtig Bock hatte. Aber wenn ich mich schon zwischen Pest und Cholera entscheiden musste, dann zumindest für die Alternative, für die ich ein paar Mark bekam.
Dummerweise begann das Lehrjahr erst im nächsten August. Also musste ich wohl oder übel die Zeit bis dahin mit einem Praktikum überbrücken. Mir schwante, dass das kein Spaß werden würde. Aber es ließ sich aufgrund der aktuellen häuslichen Stimmungslage nicht vermeiden. Ich lief also noch am selben Tag in der Firma ein.
Die lieben Kollegen hatten leider keine Chance bekommen, den Sohn vom Chef mit offenen Armen zu empfangen. Denn mein Vater hatte ihnen gerade noch rechtzeitig gesagt, dass ich in Sachen Schule ordentlich Scheiße gebaut hatte – und demzufolge keinerlei Privilegien im Vergleich zu den anderen Stiften bekommen sollte.
Das bedeutete, dass ich ab diesem Moment der Hilfsarbeiter Nummer Eins war, also der Betriebs-Muli für alle und für alles. Jeden Morgen um acht Uhr ging das Spielchen los: Mit einem bemerkenswerten Einfallsreichtum wurden mir die untersten Arbeiten, die in der Firma so anfielen, aufs Auge gedrückt: Container ausladen, Kartons auspacken, Lager einräumen. Autos waschen, Brotzeit holen. Lager ausräumen, Kartons einpacken, Container einladen. Der Standardspruch, den ich in diesen Wochen immer und immer wieder zu hören bekam, lautete: »Der nächste Lkw ist Deiner.« Und es gab komischerweise immer einen nächsten Lkw.
Der einzige Lichtblick während dieser Maloche waren die interessanten Typen, die tagtäglich in unserer Firma auftauchten: Schausteller! Sie holten stapelweise den ganzen Klimbim für ihre Buden ab. Ich beobachtete mit größtem Interesse das tägliche Geschacher auf unserem Hof, denn ohne minutenlanges Verhandeln ging da gar nix. Mit solchen Leuten müsste man doch irgendwie auch anderweitig ins Geschäft kommen können, dachte ich mir, als ich sie sah. Denn an ihren Armen prangten schwere goldene Uhren. Und sie fuhren wirklich die dicksten Schlitten, die Mercedes, BMW oder Audi zu verkaufen hatten.
Nach ein, zwei Monaten Schinderei durfte ich endlich auch mal raus. Manchmal war ich nun mitmeinem Vater unterwegs. Meistens aber bin ich zusammen mit unseren Vertretern auf die Plätze mitgefahren. Dort versuchte ich, mir ganz langsam ein vollständiges Bild von dieser ganz eigenen Welt zu machen. Ich muss auch heute noch sagen, dass es mir eine Menge Respekt abnötigt, wie man in einer solch konjunktur- und wetterabhängigen Branche so viel Kies verdienen konnte, dass man sich eine Rolex und einen 450er Benz leisten konnte. Ich hätte mir zwar für mich selbst niemals vorstellen können, das halbe Jahr in einem Wohnwagen zu leben, von Kaff zu Kaff zu ziehen und jedes Mal ein paar Dorfjugendliche dazu zu animieren, ihrer Prinzessin eine Flasche Piccolo zu schießen. Aber das Milieu an sich begann mich zu faszinieren.
Immer, wenn ich also vor Ort war, sprach ich mit den Menschen. Ich stellte mich artig vor und wollte alles wissen: Woher sie kamen, wie die Geschäfte liefen, was als Nächstes anstand. Und peu à peu schaffte ich es sogar, dass ich mir in diesen im Grunde total abgeschotteten Kreisen einen gewissen Bekanntheitsgrad aufbaute.
Immerhin wurde ich für die Schufterei von meinem Vater
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