Von nun an fuer immer
die du dir selbst um die Schultern gelegt haben musst. Du warst nach dem Aufprall also noch bei Bewusstsein und hast auch noch erkannt, dass du dich warm halten musst. Leider hat man dich erst knapp vier Stunden nach dem Unfall gefunden. Offenbar hast du versucht, einem Zusammenstoß auszuweichen, und bist schon ein gutes Stück vor der Hauptunfallstelle von der Fahrbahn abgekommen. Bei all dem Chaos hat man deinen Wagen erst beim Aufräumen entdeckt.“
Dunkel erinnerte Lorna sich daran, dass es einen Knall gegeben hatte und dass sie nicht an ihr Handy gekommen war, das auf dem Boden gelegen hatte. Schneeflocken hatten sich auf die zerborstene Windschutzscheibe gesetzt, und sie hatte mit letzter Kraft nach der Decke auf dem Rücksitz gegriffen.
„Du hast eine Menge durchgemacht, aber du wirst alles gut überstehen“, erklärte James zuversichtlich. „Deine Fortschritte sind bemerkenswert.“
„Wirklich?“
„Ja.“ James nickte. „Du wirst schon bald wieder ganz die alte Lorna sein.“ Er musste schlucken, als er sich an die Lorna von damals erinnerte. „Okay. Ich gehe jetzt besser wieder nach unten in meine Notaufnahme.“
„Bist du der leitende Oberarzt?“
„Ja.“
„Das wolltest du immer werden. Leiter der Notaufnahme.“
Oh, es gab eine Menge Dinge, die er sich früher gewünscht hatte. Dieses Thema wollte James allerdings nicht näher diskutieren, und so lächelte er, wünschte ihr alles Gute und verabschiedete sich, ohne ihr auch nur einen Kuss auf die Wange zu geben.
„Hast du an diesem Wochenende Dienst?“
„Nicht offiziell. Aber ich werde zweifellos ein paarmal hergerufen.“
„Also, wenn es dir nichts ausmacht, dann würde ich mich freuen, wenn du ab und zu bei mir hereinschauen würdest.“
Er nickte, sagte jedoch weder Ja noch Nein und ging hinaus. Noch Minuten später lag Lorna still in ihrem Bett und starrte auf die Tür, durch die er gegangen war. Sein Besuch hatte eine tröstende Wirkung auf sie gehabt und sie gleichzeitig beunruhigt. Sie hätte ihn nicht bitten sollen, noch öfter zu kommen. Das Zusammentreffen mit James hatte sie erschöpft.
Es wäre besser für ihn, wenn er sie nicht noch einmal besuchte. Obwohl sie sich nach seiner Nähe sehnte, hoffte sie um seinetwillen, dass er ihr fernblieb.
Denn es war besser für James, wenn er sie nicht wiedersah.
„Hier!“ James legte seinen Pieper und seine Schlüssel beiseite und reichte Lorna einen großen Becher Kaffee aus der Klinik-Kantine.
Genüsslich atmete sie den Duft des frisch gebrühten Getränks ein, bevor sie vorsichtig daran nippte.
Es ging ihr ganz offensichtlich wirklich besser. Seitdem ihre Eltern abgereist waren und James ihr geholfen hatte, ihre Erinnerungslücken zu füllen, fühlte Lorna sich täglich, ja fast stündlich besser. Inzwischen plauderte sie mit den Schwestern und hatte auch schon ein paar Schritte auf dem Korridor gewagt. Doch am meisten trug James’ Besuch zu ihrem Wohlbefinden bei.
„May hat mir erzählt, dass du gerade Dienst hattest, als ich eingeliefert wurde.“ Ihre Blicke trafen sich, und Lorna erkannte, wie entsetzlich dieser Augenblick für James gewesen sein musste. „Es tut mir leid.“
„Du konntest ja nichts dafür. Aber es stimmt schon – ich war völlig geschockt. Ich hätte nie gedacht, dass du eines Tages als Patientin vor mir liegen würdest. Wie kam es, dass du hier in London Vorstellungsgespräche hattest?“
Während sie sprach, kam bei Lorna immer deutlicher die Erinnerung zurück. „Ich hatte an dem Tag vier Termine in verschiedenen Kliniken.“
„Du willst also nach London zurück?“
„Falls ich einen der Jobs bekomme – ja.“
„Aber ich dachte, du hasst diese Stadt. Du hast gesagt, dass du hier nicht glücklich wärst …“ Er verstummte. Jetzt war definitiv nicht der passende Moment, um die Vergangenheit aufzuarbeiten.
„Es lag nicht an der Stadt“, erwiderte Lorna leise. Oh, dann musste sie entweder ihre Ehe oder ihn gehasst haben. „Ich arbeite nun schon lange als Hausärztin und habe außerdem regelmäßig Dienste in einem Kreiskrankenhaus übernommen. Irgendwann fand ich, dass ich eine Veränderung brauche. Und es hat mir damals durchaus Spaß gemacht, in einer großen Klinik zu arbeiten.“
„Große Kliniken gibt es auch in Schottland“, warf James ein.
„Ja, aber …“ Sie schüttelte den Kopf, wollte ihm offenbar ihre wahren Gründe nicht mitteilen. „Ich wollte mal etwas Neues erleben. Deshalb habe ich letzten Monat
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