Von nun an fuer immer
beschäftigte ihn über eine Stunde. Der Jogger mit der ausgerenkten Kniescheibe war nur für eine kurze Ablenkung gut. Danach hatte er einen Termin in der Verwaltung. Das Gespräch langweilte ihn jedoch so sehr, dass er immer wieder nachfragen musste, was Direktor Brent gesagt hatte.
„James, konzentrieren Sie sich bitte. Ich sagte gerade, dass die Wartezeiten in Ihrer Abteilung sich in den letzten Wochen inakzeptabel verlängert haben.“
„Kein Wunder! Seit vorletztem Monat fehlen uns zwei Ärzte! Wir bräuchten dringend mindestens einen zusätzlichen Assistenzarzt, besser zwei.“
„Wir haben doch Aushilfen engagiert“, protestierte der Direktor.
„Stimmt. Aber nie zweimal die gleiche.“ James’ Ton war eisig geworden. „Was bedeutet, dass wir jeden Tag jemanden neu einarbeiten müssen. Die Aushilfen wissen nicht, wie unser Rufsystem funktioniert, wo die Röntgenabteilung ist, ja nicht einmal, wo die Medikamente und Instrumente liegen. Soll ich noch weitere Beispiel für die Ineffizienz nennen?“
„Nein danke. Sorgen Sie einfach dafür, dass die Wartezeiten kürzer werden.“
James’ ohnehin schon miese Laune verschlechterte sich noch weiter, als eine wütend aussehende May ihn auf dem Gang abfing und ihm ungefragt in sein Büro folgte.
„Es interessiert mich nicht, ob du Zeit hast oder nicht!“ May schlug die Tür mit so viel Schwung hinter sich zu, dass James bei jedem anderen Kollegen heftig protestiert hätte. „Gerade eben hat schon wieder einer dieser inkompetenten Aushilfsärzte eine meiner Schwestern angebrüllt, weil sie es gewagt hat, ihn in seiner Kaffeepause zu stören. So kann das nicht weitergehen, James! Wenn du nicht bald eine Lösung findest, wird die Situation auf der Station eskalieren.“
„Ich habe bereits eine Lösung“, erklärte James ruhig.
Verblüfft sah die Oberschwester ihn an.
„Lorna wird bei uns anfangen.“ Er räusperte sich verlegen. „Sie hat gerade ihren Lebenslauf geschickt. In zwei Wochen ist ihr erster Arbeitstag.“
„Sie ist doch Allgemeinmedizinerin, oder?“
„Stimmt. Aber sie arbeitet seit Jahren auf dem Land, sodass sie daran gewöhnt ist, die verschiedensten Notfälle zu behandeln. Das einzige Problem könnte die Menge an Patienten hier werden.“
„Das schafft sie schon.“
„Dann wäre das ja geklärt. In der Zwischenzeit werde ich ein ernstes Wort mit dem aktuellen Vertretungsarzt wechseln.“
„Danke.“ May lächelte ihn zufrieden an. „Dann geht es ja jetzt aufwärts. Das muss ich gleich meinen Kolleginnen erzählen!“ Und schon war sie hinausgestürmt.
War es wirklich erst kurz vor zwölf? Am liebsten wäre James schon nach Hause gegangen und hätte den Rest des Tages damit zugebracht, in Erinnerungen zu schwelgen. Er würde sein Schlafzimmer noch eine Weile vor Paulines Putzattacken schützen, denn er wollte, dass alles so blieb, wie Lorna es zurückgelassen hatte. Ihr Duft sollte noch so lange wie möglich in der Luft hängen, und auch die kastanienbraunen Haare, die auf seinem Badezimmerfußboden und in der Dusche lagen, sollten noch eine Weile dableiben. In einigen Tagen würde er dann damit anfangen, über Lorna hinwegzukommen.
Wieder einmal.
„Seine Steuererklärung?“ Ungläubig sah May ihre Freundin an. „Er macht jetzt schon seine Steuererklärung?“
„Ja. Deshalb liegen überall Unterlagen herum.“ Pauline sah May grinsend an. „Angeblich.“
„Angeblich?“
„Ich weiß es nicht genau, denn er hat gesagt, ich soll nicht reingehen, weil sonst seine Quittungen durcheinandergeraten.“
Einen Moment lang gingen die beiden Frauen schweigend nebeneinanderher.
„Ich bin am Samstagabend noch kurz da gewesen, um mich von Lorna zu verabschieden“, nahm Pauline das Gespräch wieder auf, nachdem sie sich in einem Café niedergelassen und Cappuccino und Croissants bestellt hatten. „Ich wollte sie nicht abreisen lassen, ohne Lebewohl zu sagen, denn sie ist schließlich so eine nette Frau. Aber dann wollte ich die beiden nicht stören. Sie waren nämlich in seinem Schlafzimmer …“
„In seinem Schlafzimmer, sagst du?“
„Ja. Und ich habe gehört, dass Lorna geweint hat“, ergänzte Pauline und verschwieg diskret die Spur von Kleidungsstücken, die sie zwischen dem Eingangsbereich und der Schlafzimmertür gefunden hatte. „Eigentlich war es ihr Schlafzimmer. Während sie zu Besuch war, hat James es ihr überlassen, weil es der einzige Raum mit angrenzendem Bad ist. Er selbst hat im Arbeitszimmer
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