Von nun an fuer immer
geschlafen.“
„Aha. Und sie hat also geweint?“
„Genau genommen war es ein Schluchzen“, korrigierte Pauline sich. „Es war herzzerreißend. Zum Glück war James bei ihr.“ Genüsslich biss sie in ihr Croissant. „Natürlich nur, um sie zu trösten.“
„Die arme Kleine“, bemerkte May ein wenig spöttisch. „Habe ich schon erwähnt, dass sie zurückkommen wird?“
Sie war nur eine Kollegin.
Immer wieder rief James sich diese Tatsache ins Gedächtnis, während er ihren Lebenslauf las.
Sie war aber auch seine Exfrau, und so gestand James es sich zu, ihre Unterlagen ganz besonders gründlich durchzusehen. Es war doch ganz natürlich, dass er in ihrem Fall ein wenig neugieriger war als sonst.
Er leitete ihre Mail an die Personalabteilung weiter und vermerkte in seinem Anschreiben, dass er bereits ein telefonisches Vorstellungsgespräch mit der Kandidatin gehabt hätte und sie wärmstens empfehlen könnte. Danach lehnte er sich zurück und überlegte, ob es ein Fehler gewesen war, seine Vergangenheit mit der Gegenwart zu vermischen. Zu spät.
Bald würde in der Personalabteilung auch ihre Krankenakte liegen. Es machte ihn wütend, dass in Lornas Unterlagen die Bauchhöhlenschwangerschaft erwähnt war und in seinen nicht. Er hatte doch auch sein Kind verloren!
Deutlich sah er die Szene wieder vor seinem geistigen Auge: Er hatte ihr gesagt, sie solle die Einverständniserklärung unterschreiben. Ja, er war sogar ziemlich ungeduldig gewesen, weil sie sich so störrisch geweigert hatte, obwohl es außer Frage gestanden hatte, dass sie sterben würde, falls sie sich dagegen entschied.
„Unterschreib jetzt endlich, Lorna!“ Zehn Jahre war es her, und trotzdem konnte er sich noch genau an ihren Gesichtsausdruck in diesem Augenblick erinnern – eine Mischung aus Kummer, Verletztheit und Hass. Wortlos hatte sie unterschrieben und war sofort in den OP gebracht worden.
Er hatte gewusst, dass sie das Baby verlieren würden. Und tief in seinem Innern hatte er schon damals die dunkle Ahnung gehabt, dass mit dem Baby auch ihre Liebe sterben würde. Diese Befürchtung hatte sich bestätigt, als Lorna aus der Narkose erwacht war und sich lautlos weinend zur Wand gedreht hatte, als er sie trösten wollte.
„Lorna, bitte sprich mit mir!“, hatte er sie immer wieder angefleht. Doch sie hatte nicht auf ihn gehört. Auch zu Hause war es nicht besser geworden. Sie fühlten sich wie zwei Fremde, die versehentlich in der gleichen Wohnung wohnten.
Da James selbst Mediziner war, hatte er schnell herausbekommen, dass ihr „Empfängnisprodukt“ ein kleines Mädchen gewesen war. Doch es hatte sich nie die Gelegenheit ergeben, es Lorna zu sagen. Sie hatte sich damals immer mehr von ihm abgekapselt und lebte in ihrer eigenen, traurigen Welt.
Auch James hatte sich damals einsam gefühlt. Furchtbar einsam sogar.
Er vermisste seine kleine Tochter. Er vermisste Lily. Lily Morrell – das war der Name gewesen, den sie für ihre Tochter ausgewählt hatten. Selbst nach über zehn Jahren verging kaum ein Tag, an dem er nicht darüber nachdachte, wie sie wohl ausgesehen hätte. Nein, ein Kind zu verlieren war für Männer definitiv nicht leichter als für Frauen.
8. KAPITEL
„Hey!“ Sie hatten sich einen Tag vor ihrem Dienstbeginn zum Kaffeetrinken an einem neutralen Ort getroffen. Die Atmosphäre war entspannt; keine Spur von Verlegenheit. Sie freuten sich einfach, zusammen zu sein.
„Du siehst wirklich gut aus.“ Und das tat Lorna tatsächlich. Sie hatte etwas zugenommen, und auch wenn sie immer noch dünn und etwas blass war, wirkte sie frisch und erholt.
Genüsslich trank sie einen Schluck Kaffee. „Danke!“ Lächelnd sah sie ihn an. „Ich hätte gut noch eine weitere Woche Urlaub gebrauchen können. Nicht, weil ich mich schlecht fühle“, fügte sie schnell hinzu. „Aber die letzten Tage waren ganz schön anstrengend mit der Wohnungssuche und dem Umzug.“
„Bestimmt hast du eine Menge Listen gemacht“, neckte James sie.
„Oh ja. Meterlange Listen“, erwiderte Lorna lachend, wurde dann jedoch ernst. „Ich bin ziemlich nervös wegen morgen.“
„Ich weiß.“
„Wie soll ich nur mit so vielen Patienten fertigwerden? Wegen meiner Qualifikation habe ich keine Bedenken, aber ich habe Angst, dass ich es mengenmäßig nicht schaffe.“
„Du bist ja nicht allein“, beruhigte James sie. „Es ist immer ein Facharzt in der Nähe, mindestens in Rufbereitschaft. Selbst nachts sind immer mehrere Ärzte da.
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