Von Ratlosen und Löwenherzen
erlangte. Der erste namentlich bekannte Troubadour – sozusagen der Urvater aller Minnesänger – war Eleanors Großvater, Herzog Guillaume vonAquitanien. So ist es nicht verwunderlich, dass Eleanor und ihre ganze Familie als große Förderer der Dichter und Künstler in die Geschichte eingingen, und ebenso wenig verwunderlich ist wohl, dass sie alle als ein wenig sonderbar galten. Jedenfalls in den Augen der Nicht-Aquitanier.
Als Eleanors Vater unerwartet starb, ohne einen männlichen Erben zu hinterlassen, wurde sie über Nacht die begehrteste Partie in der ganzen Christenheit. 1137 – im Alter von fünfzehn Jahren – wurde sie mit Louis VII. von Frankreich verheiratet, dem natürlich sehr daran gelegen war, das riesige Aquitanien unter seinen Daumen zu bringen. Aber er sollte nicht lange Freude daran haben, denn die Sache mit Louis und Eleanor funktionierte einfach nicht. Sie bekamen zwar immerhin zwei Töchter, aber der arme Louis befand sich in einer Art chronischem Empörungszustand über seine Frau. Dabei war er gar kein übler Kerl, aber er war selbst für das 12. Jahrhundert überdurchschnittlich fromm und tat praktisch keinen Schritt ohne die Erlaubnis seiner geistlichen Ratgeber. Nicht gerade der ideale Gefährte für die ebenso lebenshungrige wie freidenkerische Eleanor.
1147 brach Louis zu dem unseligen Abenteuer auf, das wir heute den 2. Kreuzzug nennen, und sehr zu Louis’ Verdruss kam Eleanor mit. Der Kreuzzug wurde ein militärisches Fiasko – nicht nur, aber auch, weil Louis nicht auf seine Frau hörte –, und zum ersten Mal gab es offene Reibereien zwischen den beiden. Im März 1148 erreichten sie Antiochia, das von Eleanors Onkel Raymond regiert wurde, und bald wurde gemunkelt, Nichte und Onkel hätten eine heiße Affäre. Man sollte aber nicht alles glauben, was Eleanor nachgesagt wird. Die frommen Chronisten hatten nie viel für selbstbewusste Frauen übrig und gaben ihnen dementsprechend immer eine schlechte Presse.
1152 wurde das königliche Ehepaar geschieden. Ganz plötzlich war ihnen eingefallen, dass sie doch eigentlich viel zu nah verwandt waren, um verheiratet sein zu dürfen. Das war dergängige Vorwand für mittelalterliche Ehescheidungen. Der eigentliche Grund war wohl, dass Eleanor nicht mehr schwanger wurde und Louis unbedingt einen Sohn brauchte. Vielleicht war der eigentliche Grund aber auch, dass die verruchte Eleanor ein Verhältnis mit Joffrey Plantagenet, dem Grafen von Anjou, hatte. (Ganz recht: der ungeliebte Gemahl der Kaiserin Matilda und Vater des zukünftigen König Henry).
Nach der Scheidung kehrte Eleanor jedenfalls allein nach Aquitanien zurück, doch das erwies sich als wenig praktikabel. Sie war ja jetzt wieder die begehrteste Junggesellin der ganzen Christenheit. Das heißt, dass ihr alle naselang irgendein Kerl aus der adligen Verwandtschaft auflauerte, um sie zu entführen und zur Ehe zu zwingen.
Daran hatte Eleanor kein Interesse. Sie wollte nicht in der französischen Provinz versauern, sondern irgendetwas Großes und Aufregendes. Und weil sie eine kluge Frau war, wusste sie auch, wer ihr das Leben bescheren konnte, das sie wollte: Im Mai 1152 heiratete sie Henry »FitzEmpress« Plantagenet. Beide Brautleute waren eine gute Partie, aber so ganz klar ist trotzdem nicht, warum sie geheiratet haben. Henry war zu der Zeit dringend auf König Louis’ Unterstützung im Ringen um Englands Krone angewiesen, und es musste ihm klarsein, dass der französische König ziemlich sauer sein würde, wenn Henry seine Ex ehelichte (was er auch war). Obendrein war Eleanor elf Jahre älter als Henry, und ihre Fruchtbarkeit wurde allgemein in Zweifel gezogen. Manche Historiker glauben heute, dass es eine Liebesheirat war. Zuzutrauen wär’s den beiden, dass sie gegen jede Konvention und Etikette verstießen und aus so nichtigen, sentimentalen Gründen heirateten. Aber falls es so war, war’s keine Liebe für die Ewigkeit, so viel steht fest.
Henry und Eleanor – trügerisch einträchtig beieinander
Im Jahr nach der Hochzeit schenkte Eleanor ihrem möglicherweise geliebten Henry das erste von acht Kindern – einen Sohn. (Louis von Frankreich dürfte die Wände hochgegangen sein.) Und noch ein Jahr später wurden Henry und Eleanor Seite an Seite in Westminster Abbey gekrönt.
Na super, müssen die Engländer gedacht haben. Schon wieder ein König, der kein Wort englisch spricht. Erst die Normannen, jetzt ein Franzose. Und obendrein hat er auch noch rote Haare
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