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Von Ratlosen und Löwenherzen

Von Ratlosen und Löwenherzen

Titel: Von Ratlosen und Löwenherzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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    Der erste dieser falschen Freunde war ein aquitanischer Ritter namens Piers Gavestone. Ein Niemand in den Augen der Lords, aber noch vor seiner Krönung erhob Edward seinen Freund Gavestone zum Earl of Cornwall – ein Titel, der bislang immer dem englischen Thronfolger vorbehalten gewesen war –, und bei der Krönung im Februar 1308 war es Gavestone, der das Schwert Edwards des Bekenners vor dem jungen König einhertrug.
    Die Lords murrten.Obwohl der König und sein Favorit beide 1308 heirateten und aus beiden Ehen Kinder hervorgingen, war es ein offenes Geheimnis, dass es ein bisschen mehr als brüderliche Freundschaft war, was die beiden jungen Männer verband. Die Chronisten machen Andeutungen in diese Richtung, und auch der alte König hatte diesen Verdacht wohl schon gehegt, denn er hatte Gavestone zweimal vom Hof verbannt.
    Aber mit der bereits erwähnten Treue hatte Edward zu Gavestone gehalten, sich sogar dazu durchgerungen, seinem furchteinflößenden Vater die Stirn zu bieten, und Gavestone jedes Mal zurückgeholt. Als er endlich selbst König war, überschüttete er ihn mit Ländereien und Geldgeschenken. Gavestone strich alles dankend ein, sonnte sich in der königlichen Gunst, verspottete seine Kritiker und erfand boshafte Spitznamen für die sauertöpfischen Lords.
    Das war gefährlich. Der Adel hatte seit der »Magna Charta« zu einem neuen Selbstverständnis gefunden, und die Vergangenheit hatte gezeigt, dass kein König gegen die geschlossene Opposition seiner Barone regieren konnte. Doch allmählich bekamen sie das Gefühl, dass Edward die so mühsam erkämpften Reformen aushebeln und am Parlament und dem Kronrat vorbeiregieren wollte, um aus England eine Art immerwährenden Kindergeburtstag für sich und seine Freunde, allen voran Gavestone, zu machen.
    Hätte der königliche Partymarathon aus Jagden, Turnieren, Kriegen und Hoffesten bestanden, wären die Lords vielleicht toleranter gewesen. Aber Edward war nicht an höfischem, königlichem oder ritterlichem Zeitvertreib interessiert. Er mochte bäuerliche Sportarten wie Rudern und Fischen. Er versuchte sich in verschiedenen Handwerken und interessierte sich sogar für Landwirtschaft. Ist doch gar nicht schlecht, würden wir heute sagen: ein volksnaher König, der sich mit den Freizeitvergnügungen und dem Broterwerb seiner Untertanen beschäftigt, um zu begreifen, wie sie leben. Aber Edwards Zeitgenossen – Lords wie Bauern – war dieser schrullige König sounendlich peinlich, dass sie vom Zuschauen feuchte Hände und Bauchschmerzen bekamen.
    Kaum ein Jahr nach Edwards Krönung bildeten die Lords eine ungewöhnlich geschlossene Front und setzten eine Verbannung Gavestones durch. Edward war untröstlich. Er machte Zugeständnisse an die Lords, nur für die Erlaubnis, Gavestone zurückzuholen. Kaum war der wieder in England, machten sie genauso weiter wie vorher. Also erwirkten die Lords Gavestones erneute Verbannung und drückten ein Reformwerk, die sogenannten »Ordinances«, durch, die den König der Kontrolle der Barone unterstellten: So musste er etwa seine personellen Entscheidungen von den Baronen absegnen lassen und brauchte die Zustimmung des Parlaments, um das Land zum Zweck der Kriegsführung zu verlassen.
    Zum 1. November 1311 war Gavestones zweite (oder insgesamt eigentlich vierte) Verbannung ausgesprochen worden, zu Weihnachten in Windsor war er schon wieder zurück und klebte an Edward wie ein Kaugummi an der Schuhsohle.
    Jetzt reicht’s, befanden die Lords. Sie schlossen sich hinter dem Cousin des Königs, Thomas Earl of Lancaster, zusammen, belagerten Gavestone in seiner Burg, und als der sich schließlich ergab, ließen sie ihn am 19.6.1312 hinrichten, obwohl sie versprochen hatten, sein Leben zu schonen.
    Edward war zutiefst erschüttert und überhaupt nicht in der Lage, zu erkennen, was für ein gewissenloser Schmarotzer Gavestone gewesen war, der die Großzügigkeit des Königs schamlos ausgenutzt hatte. Edward sann auf Rache gegen Lancaster und die übrigen Lords, die seinen Freund auf dem Gewissen hatten, doch er wusste, um Rache zu nehmen, musste er erst einmal die Macht zurückerlangen. Und wie eint man seine Lords am besten hinter sich? Indem man sie in einen ruhm- und siegreichen Krieg führt, ist doch klar. Das hatte Edward bei seinem Vater schließlich oft genug gesehen. Also stellte er ein Heer auf, um das Werk seines Vaters in Schottland zu vollenden. DieSchotten waren unter der Führung ihres neuen

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