Von Ratlosen und Löwenherzen
Frankreich Krieg führte, aber zumindest was den zweiten Gegner anging, konnte er eigentlich nichts dafür. Der umgängliche Philip III. war 1285 gestorben, und seinem Sohn Philip IV. missfiel es, dass der König von England immer noch der Herzog von Aquitanien war. Philip, genannt »der Schöne«, war vor allem ein ganz schöner Mistkerl. Unter einem fadenscheinigen Vorwand erhob er Klage gegen Edward und zitierteihn vor Gericht nach Paris. Edward schickte seinen Bruder Edmund, den Earl of Lancaster, zu Verhandlungen, und alles wurde friedlich beigelegt. Oder zumindest sollten die Engländer das glauben. Edward – dessen geliebte Eleanor ja inzwischen verstorben war – sollte Philips Schwester Margaret heiraten, ein paar andere Bedingungen erfüllen, und damit, so hieß es, sei dann alles erledigt. Er brauche auch nicht vor Gericht zu erscheinen. Edward erfüllte seinen Teil der Abmachung, und dann enteignete Philip ihn mit der Begründung, Edward habe es versäumt, vor seinem Gericht zu erscheinen.
Willkommen in Absurdistan, muss Edward gedacht haben und ließ sich wohl oder übel auf einen bewaffneten Konfliktein. Der verlief schleppend und weitgehend ergebnislos – letztlich wurde die Geschichte dann doch noch diplomatisch beigelegt. Unter anderem wurde vereinbart, dass Edward, der Prince of Wales, die französische Prinzessin Isabella heiratete, die als die »Wölfin von Frankreich« in die englische Geschichte einging und von der wir noch allerhand hören werden.
Erst einmal hatte König Edward die Krise mit Frankreich jedenfalls beigelegt und konnte sich wieder den Schotten zuwenden, deren Widerstand er mit immer erbarmungsloserer Härte zu brechen versuchte. William Wallace fiel den Engländern 1305 in die Hände und starb auf die gleiche Weise wie das walisische Schlitzohr Dafydd ap Gruffydd. Eine Zeit lang sah es so aus, als sei der Widerstand damit gebrochen, aber das war ein Trugschluss. Schon im Jahr darauf rebellierten die Schotten wieder. (Und so sollte es die nächsten 300 Jahre weitergehen, bis ein König von Schottland auch König von England wurde.)
Allmählich gingen König Edward die Kräfte und das Geld aus. Seine Expansionspolitik, die uns heute wie imperialistischer Größenwahn vorkommt, die ihn in den Augen seiner Barone aber zu einem starken und erfolgreichen Herrscher machte, hatte unglaubliche Summen an Geld verschlungen. Mit Hilfe des Parlaments hatte Edward neue Steuern eingeführt – eine Erfindung dieser Zeit waren z.B. Ausfuhrzölle für englische Wolle und Leder –, und 1290 hatte er alle Juden aus England verbannt und ihr Vermögen eingezogen. Trotzdem war er 1307 völlig abgebrannt und obendrein krank, als er zu einem letzten Schottlandfeldzug aufbrach. Er kam nie dort an, sondern starb in Sichtweite der Grenze am 7. Juli.
»Führe den Krieg gegen die Schotten weiter bis zum bitteren Ende«, hatte der sterbende König angeblich dem Prince of Wales aufgetragen. Und der dreiundzwanzigjährige Edward hatte eingewilligt, wie immer eingeschüchtert von der übermächtigenPersönlichkeit seines Vaters. Aber er konnte sein Wort nicht halten.
Manche Historiker halten Edward II. für den jämmerlichsten Versager, der je auf Englands Thron gesessen hat. Und seine Zeitgenossen waren so fassungslos darüber, dass ein Löwe wie Edward I. einen so spektakulären Versager gezeugt haben sollte, dass es bald Gerüchte gab, der junge Edward sei in der Wiege vertauscht worden. Aber diese einfache, wenn auch wenig originelle Erklärung kann kaum zutreffen, war der neue König seinem Vater doch wie aus dem Gesicht geschnitten, wenn auch kein solcher Hüne.
Es ist natürlich unmöglich zu ergründen, was Edward II. zu einem wankelmütigen, weinerlichen, unschlüssigen und feigen König machte. Der Schatten des imposanten, autoritären Vaters? Die Tatsache, dass all seine Brüder schon tot waren, als er zur Welt kam, seine verbliebenen Schwestern während seiner ersten Lebensjahre verheiratet wurden oder ins Kloster gingen, seine Mutter starb, als er sechs war, und Edward vielleicht der einsamste kleine Junge in England war?
Alles Spekulation. Aber einigermaßen logisch scheint der Schluss, dass es diese einsame Kindheit war, die Edward dazu bewog, Freunde zu suchen und mit geradezu fanatischer Treue zu ihnen zu stehen. Eigentlich eine schöne Eigenschaft. Aber sie wurde ihm und England zum Verhängnis, weil er ein erstaunliches Talent besaß, sich immer die falschen Freunde
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