von Schirach
dumm hielt, würde diesmal
nichts schieflaufen.
Er ging zurück in das leere Wohnzimmer und versuchte den Bang-&-0lufsen-Fernseher
einzuschalten. Er setzte sich auf einen der Filzhocker und brauchte viel Zeit,
um die Fernbedienung zu verstehen. Atris war stolz, dass er es war, dem Frank
seine Wohnung, seinen Hund, sein Auto und den Schlüssel zum Schließfach im
neuen Hauptbahnhof anvertraute. Er nahm einen Joint vom Tisch und zündete ihn
an. Sie würden reich werden, dachte er, er würde seiner Mutter eine neue Küche
kaufen, die mit dem Doppelherd, die er in einer der Hochglanzzeitschriften bei
Frank gesehen hatte. Er stieß einen Rauchkringel aus und saugte ihn sofort
wieder ein. Dann legte er die Füße auf den Tisch und versuchte der Talkshow zu
folgen.
Das Hundefutter bestand aus klein geschnittenen Rindstücken, der Napf stand
auf dem Küchentisch. Die Dogge lag auf dem schwarz-weiß gekachelten Boden.
Sie bekam Hunger, roch das Fleisch, stand auf, knurrte und begann zu bellen.
Atris ließ im Wohnzimmer die Fernbedienung fallen, er rannte zur Küche. Er kam
zu spät. Die Dogge hatte die Tischdecke zu Boden gerissen, die Fleischbrocken
flogen in einem zusammengeklebten Haufen durch die Luft, Atris sah, dass die
Dogge richtig stand, sie hatte ihr Maul geöffnet und wartete. Plötzlich
glänzte etwas zwischen den Fleischstücken, Atris brauchte eine hundertstel
Sekunde, um zu begreifen. Er schrie: »Aus ...« und sprang aus dem Stand von der
Türschwelle. Die Dogge war schneller, sie beachtete ihn nicht einmal. Der
Fleischhaufen klatschte in das offene Maul des Hundes, er kaute nicht einmal,
er schlang einfach. Atris rutschte über den Boden und prallte vor der Dogge an
die Wand. Der Hund leckte die Kacheln sauber. Atris schrie ihn an, er riss ihm
das Maul auf und sah in seinen Rachen, er nahm ihn in den Schwitzkasten und
würgte ihn. Der Hund knurrte und schnappte nach ihm, Atris war nicht schnell
genug, der Hund erwischte sein linkes Ohrläppchen und riss es ab. Atris schlug
mit der Faust auf die Schnauze des Hundes. Dann saß er auf dem Boden, sein
Blut tropfte auf die Steinfliesen, sein Hemd war zerrissen. Atris starrte den
Hund an, und der Hund starrte Atris an. Frank war noch keine zwei Stunden aus
dem Haus, und er hatte die Sache bereits versaut: Der Hund hatte den Schlüssel
des Schließfachs verschluckt.
Sie schlugen ihn fast tot. Es war ein Versehen.
Seit der Grenze war Frank von einem Spezialeinsatzkommando verfolgt worden.
Er war auf einen Parkplatz gefahren. Er musste auf die Toilette. Der
Einsatzleiter war nervös. Er entschied falsch und gab den Befehl zur Festnahme.
Das Landeskriminalamt musste dem Tankstellenpächter später die beiden
zerbrochenen Waschbecken, die Kloschüssel, die eingeschlagene Tür, den Lufttrockner
und die Reinigung der Räume bezahlen. Sie schleiften Frank mit einem Sack über
dem Kopf aus dem Toilettenhaus und brachten ihn nach Berlin. Er hatte sich
gewehrt.
Die Frau in dem Kapuzenpulli war Franks Golf seit Amsterdam gefolgt. Sie
hatte den Einsatz der Polizei mit einem kleinen Fernglas beobachtet. Als alles
vorbei war, hatte sie von einer Telefonzelle die Nummer eines gestohlenen
Mobiltelefons in Amsterdam angerufen. Das Gespräch dauerte zwölf Sekunden.
Dann ging sie zurück zu ihrem Wagen, tippte in das GPS-Gerät eine Adresse ein,
schlug die Kapuze zurück und fuhr wieder auf die Autobahn.
Atris hatte acht Stunden gewartet, ob der Hund den Schlüssel wieder
ausspucken würde. Dann gab er auf und zerrte Buddy auf die Straße. Inzwischen
regnete es stärker, der Hund wurde nass, und als er endlich im Maserati war,
stank alles nach Tier. Die Polster würde er später sauber machen müssen, erst
brauchte er den Schlüssel. Der Tierarzt hatte am Telefon gesagt, er müsse schon
herkommen. Atris startete den Wagen. Er war wütend. Er gab zu viel Gas. Der
Wagen schoss aus der Parklücke, der rechte Kotflügel touchierte die Stoßstange
des Mercedes vor ihm. Es gab ein metallisches Geräusch. Atris stieg fluchend
aus und betrachtete den Lackabrieb. Er versuchte mit den Fingern den Schaden zu
polieren, ein Lacksplitter riss dabei seine Haut auf, er blutete. Atris trat
gegen den Mercedes, stieg wieder ein und fuhr los. Das Blut an seinem Finger
verfärbte das helle Leder des Lenkrads.
Der Tierarzt hatte seine Praxis im Erdgeschoss eines Hauses in Moabit. Auf
dem blauen Schild stand »Kleintierpraxis«. Atris konnte nicht gut lesen. Als
er das
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