von Schirach
Oberarm
gebrochen. Der Ermittlungsrichter verlas an seinem Krankenbett den Haftbefehl,
er lautete zunächst nur auf Widerstand und Körperverletzung: Einer der acht
Beamten hatte sich den kleinen Finger gebrochen. Die Polizei hatte keine Drogen
gefunden, aber sie waren sicher, dass sie irgendwo waren.
Ich übernahm seine Verteidigung. Frank würde schweigen. Der
Staatsanwaltschaft würde es schwerfallen, den Drogenhandel nachzuweisen. Der
Haftprüfungstermin war in dreizehn Tagen, und wenn nichts Neues dazukäme,
würde er entlassen.
»Du stinkst nach Scheiße«, sagte Hassan.
Atris hatte ihn angerufen. Zuvor hatte er eine Stunde den Maserati
durchsucht, Hemd und Hose waren von Kot verschmiert. Er hatte den Schlüssel
nicht gefunden, er musste noch in der Dogge sein. Atris hatte nicht gewusst,
was er tun sollte. Hassan war sein Cousin, in der Familie galt er als klug.
»Ich weiß, dass ich nach Scheiße stinke. Der Wagen stinkt nach Scheiße,
Buddy stinkt nach Scheiße, ich stinke nach Scheiße. Ich weiß das. Du musst es
nicht erst sagen.«
»Atris, du stinkst wirklich nach Scheiße«, sagte Hassan.
Hassan hatte seine Geschäftsräume in einem der unzähligen ausgebauten Bögen
unter der Berliner S-Bahn. Die Bahn vermietete diese Räume. Hier waren
Autowerkstätten, Lagerräume und Ramschhändler. Hassan entsorgte Autoreifen. Er
ließ sich die Entsorgung alter Reifen bezahlen, lud sie auf einen LKW und
schmiss sie in eine Schlucht, die er in einem Wald in Brandenburg gefunden
hatte. Er verdiente gut. Alle sagten, er sei ein begabter Geschäftsmann.
Atris erzählte Hassan von der Sache mit dem Hund. Hassan sagte, er solle
Buddy reinbringen. Die Dogge sah elend aus, das weiße Fell war braun.
»Der Köter stinkt auch«, sagte Hassan.
Atris stöhnte.
»Binde ihn an den Stahlpfosten«, sagte Hassan.
Er zeigte Atris die Dusche im hinteren Raum und gab ihm einen frisch
gewaschenen Anzug der Stadtreinigung. Er war orange.
»Was ist das?«, fragte Atris. »Ich brauche den für die Entsorgung«, sagte
Hassan.
Atris zog sich aus und packte die alten Sachen in eine Müll tüte. Als er 20 Minuten später aus der Dusche
kam, sah er zuerst den Wagenheber. Er lag in einer Blutlache. Hassan saß auf
einem Stuhl und rauchte. Er zeigte auf den Hundekadaver auf dem Boden.
»Tut mir leid, aber besser, du ziehst dich wieder aus. Wenn du ihn so
aufschneidest, bist du wieder versaut. Das ist der letzte saubere Anzug.«
»Scheiße.«
»Es ist die einzige Möglichkeit. Der Schlüssel wäre nie rausgekommen. Er
verhakt sich im Magen. Wir besorgen einen neuen Hund.«
»Und der Maserati?«
»Ich habe schon telefoniert. Die Jungs klauen den gleichen noch einmal. Wir
müssen warten. Du kriegst den neuen.«
Atris kam um 2:00 Uhr
früh wieder in die Wohnung auf dem Kurfürstendamm. Er hatte den neuen Maserati
in der Tiefgarage geparkt. Der Wagen sah völlig anders aus, war rot anstatt
blau, die Sitze schwarz anstatt beige. Es würde schwer werden, Frank das zu
erklären.
Atris fuhr mit dem Aufzug nach oben. Der Schlüssel klemmte etwas im Schloss
der Wohnungstür, aber er war zu müde, um es zu registrieren. Er konnte sich
nicht wehren, er versuchte es erst gar nicht. Die Frau war zierlich, sie trug
ein Kapuzenshirt, er konnte ihr Gesicht nicht erkennen. Ihre Pistole war
riesig.
»Mach deinen Mund auf«, sagte sie. Ihre Stimme war warm.
Sie schob den Lauf zwischen Atris' Zähne. Er schmeckte nach Öl.
»Geh langsam rückwärts. Wenn du dich falsch bewegst oder wenn ich stolpere,
fehlt dein Hinterkopf. Du musst also vorsichtig sein. Hast du das verstanden?«
Atris nickte vorsichtig. Das Korn des Laufes stieß dabei von innen gegen
seine Zähne. Sie gingen in das Wohnzimmer.
»Ich setze mich jetzt auf den Hocker. Du kniest dich vor mich. Ganz
langsam.« Sie sprach mit ihm, wie ein Arzt mit seinem Patienten spricht.
Die Frau setzte sich auf einen der Filzhocker. Atris kniete neben ihr. Er
hatte noch immer den Lauf im Mund.
»Sehr gut. Wenn du jetzt alles richtig machst, passiert nichts. Ich will
dich nicht töten, aber es macht mir auch nichts aus, es zu tun. Hast du das verstanden?«
Atris nickte wieder.
»Also, ich erkläre es dir.«
Sie sprach langsam, so langsam, dass Atris alles verstand. Sie lehnte sich
auf dem Hocker zurück und schlug die Beine übereinander. Atris musste ihren
Bewegungen folgen und sich mit dem Kopf nach vorne beugen.
»Dein Partner und du haben von uns Pillen gekauft. Ihr wollt uns dafür
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