Von sündiger Anmut: Roman (German Edition)
zu.
Sorge und Argwohn stiegen in ihr auf. Was hatte das jetzt wieder zu bedeuten? Und wie sollte sie Lucy erklären, dass die ganze Sache mit ihrem Bruder ein fataler Irrtum war, eine dumme, verblendete Schwärmerei?
»Aber, Lucy…« Bestürzt verstummte sie.
Lucy musterte sie, und ein wissender Ausdruck breitete sich auf ihrem Gesicht aus. »Darüber habe ich mir immer Sorgen gemacht.«
»Worüber?«
»Dass es zwischen dir und William absolut keine Gemeinsamkeiten gibt. Ich habe recht, nicht wahr? Ich kenne euch beide zu gut.«
»Und warum hast du dann nie etwas gesagt?«, fragte Elizabeth leicht empört.
»Weil du mir nicht geglaubt hättest.«
Elizabeth fing an zu lachen und umarmte ihre Freundin. »Kein bisschen. Das musste ich wohl ganz alleine herausfinden.«
»Also, wer ist nun derjenige, mit dem du alles hast teilen können, Elizabeth? Sag die Wahrheit.«
»Peter. O Lucy! Es ist Peter. Allerdings habe ich ihn ganz schrecklich behandelt! Und außerdem gab es Dinge, die wir nicht voneinander wussten oder immer noch nicht wissen …«
»Stellen sie denn für dich einen ernsthaften Hindernisgrund dar?«
»Nein, überhaupt nicht. Glaubst du, William wird jetzt verletzt sein?«
»Ach was, er hat dir schließlich nicht öffentlich den Hof gemacht und wurde von dir nicht abgewiesen. Sobald er sieht, dass du mit Peter glücklich bist, wird er es begreifen.«
Elizabeth bemühte sich, ein zuversichtliches Lächeln aufzusetzen. Wenn sie das nächste Mal mit Peter alleine war, musste sie ihn dazu bringen, endlich zu verstehen.
Aber er kam auch an diesem Abend nicht, und eine schmerzhafte Unruhe erfasste sie. Sie fühlte sich nicht mehr vollständig ohne ihn. Es schien, als ob ihr Körper mehr ihm als ihr selbst gehören würde.
Kapitel 23
Als Mary Anne am Nachmittag des nächsten Tages zufällig hörte, dass Elizabeth gekommen war und ihren Bruder sprechen wollte, eilte sie sogleich die Treppe hinunter in die Eingangshalle.
»Peter ist nicht da«, rief sie und griff nach der Hand der Besucherin. »Aber ich muss mit Ihnen reden. Kommen Sie mit in mein Zimmer.«
Elizabeths verblüffte Miene ignorierte sie, während sie sie mit sich zog. In ihrem Schlafzimmer wies sie ihr einen Sessel vor dem Kamin zu und ließ sich gegenüber nieder. Sie bemerkte, dass Elizabeth sich neugierig in ihrem Zimmer umschaute, und vermutete, dass sie die Einrichtung nicht sonderlich weiblich fand. Kein Schnickschnack, kein Nippes und keine Erinnerungsstücke an Kinder- und Mädchentage. Mary Anne hatte auf so etwas noch nie Wert gelegt.
Langsam setzte Elizabeth ihre Haube ab, während sie Peters Schwester forschend musterte und auf eine Erklärung wartete. Die zunächst ausblieb, weil die junge Frau nicht wusste, wie sie anfangen sollte.
»Gibt es etwas, das Sie mir erzählen möchten?«, ergriff Elizabeth schließlich die Initiative.
»Lord Thomas Wythorne hat mich eingeladen, ihn heute Abend nach Vauxhall Gardens zu begleiten«, sprudelte es plötzlich aus Mary Anne heraus. Um sogleich fragend aufzuschauen, weil sie Missbilligung in Elizabeths Gesicht zu entdecken fürchtete.
»Ich bin noch nie da gewesen«, fuhr sie hastig fort. »Ich habe von der Rotunde gehört, wo Ballettaufführungen stattfinden, von den durch farbige Lampen beleuchteten Wegen und den eindrucksvollen Säulengängen. Gibt es da wirklich einen Teich, aus dem Neptun mit acht weißen Seepferdchen aufsteigt?«
»Den gibt es, aber ich muss Sie warnen …«
»Ich würde natürlich maskiert hingehen und sogar eine Zofe mitnehmen. Lord Thomas hat das übrigens vorgeschlagen«, fügte sie hinzu, als müsse sie darauf hinweisen, dass er auch seine guten Seiten habe.
»Sie würden nur mit ihm hingehen?«
»O nein! Er sagte, mehrere andere Paare seien ebenfalls mit von der Partie. Wir werden in einem Separee essen und dabei den Akrobaten zuschauen. Ich habe noch nie Berufsakrobaten gesehen, nur Straßenkünstler.«
»Das hört sich zwar alles sehr aufregend an, doch ist Ihnen bewusst, dass Lord Thomas älter und entsprechend erfahrener ist als Sie?«
»Das weiß ich.« Seit der Einladung wurde Mary Anne deshalb von Ängsten geplagt, hatte es andererseits satt, sich vor allem und jedem zu fürchten. Ausnahmsweise einmal wollte sie sich wie eine ganz normale, unbefangene junge Frau fühlen.
»Es ist sehr leicht, jemanden vom rechten Weg abzubringen«, fuhr Elizabeth fort. »Und ein leichtsinniger Fehler kann einen bis ans Ende seiner Tage verfolgen.«
Mary
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