Von sündiger Anmut: Roman (German Edition)
Tonfall. »Mehr kann kein Mensch geben.« Dann sah sie ihn plötzlich durchdringend an. »Ich hoffe nur, dass Sie Ihre Lektion auch wirklich gelernt haben. Was passiert etwa, wenn eine gewisse Dame Sie abweist?«
»Ich nehme an, Sie meinen Miss Derby«, stellte er trocken fest. »Wie man hört, sind Sie mittlerweile ihre Vertraute.«
Freude wallte bei diesen Worten in Elizabeth auf. Hatte Mary Anne ihm das erzählt?
»Ich kann nur hoffen, dass mir dieses Privileg wirklich zukommt. Aber Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet.«
Er dachte einen Moment lang nach. »Miss Derby legt es ziemlich darauf an, Männer wissen oder glauben zu lassen, dass sie eine starke Person sei.«
Elizabeth sah ihn verblüfft an und staunte über sein Wahrnehmungsvermögen.
»Nur scheint sie mir unter der rauen Schale sehr zart und zerbrechlich zu sein«, fuhr er fort. »Ich finde diesen Gegensatz sehr anziehend, weiß allerdings nicht, ob das als Basis für eine Beziehung reicht. Ich verspreche, sie nicht bewusst zu verletzen, nur garantieren kann ich es nicht, weil ich sie nicht völlig einzuschätzen vermag.«
»Keiner kann jemals Garantien geben«, erwiderte Elizabeth traurig und dachte daran, dass sie Peter ebenfalls nicht hatte verletzen wollen. Trotzdem war es passiert, und sie gab sich dafür die Schuld. Nicht weil sie es absichtlich tat, sondern weil es aus Leichtsinn geschah. Aber machte das einen Unterschied?
»Dann werden Sie mir den Umgang mit ihr also nicht verwehren?«, fragte er überrascht.
»Es ist nicht an mir, Ihnen irgendetwas zu untersagen.«
»Trotzdem danke. Ihre mahnenden Worte werden mir in Erinnerung bleiben.«
»Wir werden sehen«, meinte sie trocken. »Allerdings kann ich nicht für Peter und seine Familie sprechen.«
»Natürlich nicht. Mr Derby hat mir bereits sehr deutlich zu verstehen gegeben, was er von mir denkt.«
Schnell richtete sie ihren Blick auf ihn. »Was heißt das?«
»Er hat es Ihnen nicht erzählt? Vor ein paar Tagen lieferten wir uns einen stürmischen Fechtkampf, bei dem ich eindeutig unterlag. Er machte mir unmissverständlich klar, dass es dabei um Ihre Ehre ging, und warnte mich davor, Ihnen je wieder zu nahe zu treten. Eine Demonstration ritterlicher Tugend wie aus einem mittelalterlichen Lehrbuch.«
Zärtliche Gefühle stiegen warm in ihr auf. »Wie schön.«
»Ich dachte mir, dass Sie das so sehen würden.« Seine Lippen verzogen sich zu einem leicht sarkastischen Grinsen. »Wenn ich seiner Schwester weiterhin den Hof mache, wird es schwer sein, ihn für mich zu gewinnen. Ich sehe das als ehrenvolle Aufgabe. Guten Tag, Lady Elizabeth.«
Dann verbeugte er sich und ging davon. Fast hätte sie ihm mit offenem Mund hinterhergeschaut. Eine seltsame Freude erfüllte sie, dass sie nicht die Einzige war, die in dieser verfahrenen Situation etwas gelernt hatte.
Sie holte tief und befreit Luft, als würde nach Wochen endlich kein Gewicht mehr bleischwer auf ihrer Brust liegen. Es gab keine Drohungen mehr, die wie eine schwarze Wolke über ihrem Kopf hingen, denn dass er nichts ausplaudern würde, das glaubte sie ihm aufs Wort. Das Gemälde würde also weiterhin ein Geheimnis bleiben, das sie nur mit Susanna und Rebecca teilte – und den drei Männern, die es zum Gegenstand einer Wette gemacht hatten.
Und damit war sie zugleich befreit von der Notwendigkeit, zu lügen und andere zu manipulieren. Jetzt musste sie Peter bloß noch zu der Einsicht bringen, dass sie bereit war, den nächsten Schritt zu tun. Mit ihm. Und ihn davon überzeugen, dass sie ihm vertraute. Alles andere sollte endlich Vergangenheit sein, damit sie neu und unbelastet beginnen konnten. Vor allem aber musste er daran glauben, dass sie ihn liebte und keinen anderen.
»Elizabeth?« Lucy kam auf sie zugeeilt und riss sie aus ihren Gedanken. »War das Thomas Wythorne, mit dem du dich gerade unterhalten hast? Du warst in letzter Zeit häufiger mit ihm zu sehen.«
»Wir haben uns nur unterhalten, sonst nichts«, erwiderte sie lächelnd.
Lucy nahm ihren Arm, und gemeinsam entfernten sie sich auf einem mit Kies bestreuten und von Rhododendren gesäumten Weg von den anderen Gästen. »Ich kann es nicht fassen, dass ich das jetzt sage: Es scheint, dass dein Plan endlich Erfolg zeitigt.«
»Welcher Plan?«, fragte Elizabeth ironisch.
»Den du geschmiedet hast, damit mein Bruder auf dich aufmerksam wird natürlich! Er hat mir erzählt, dass er dich gestern besucht hat.«
»Stimmt«, gab Elizabeth vorsichtig
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