Von Tod und Wiedergeburt (German Edition)
selbst helfen, befreien sie erst, wenn die erlebte Trennung zwischen Handelndem, Gegenstand und Empfänger wegfällt. Erst die Auflösung dieser Gewohnheit durch die Einsicht in die Leerheit von einer bestehenden Eigennatur und die Erkenntnis der gegenseitigen Bedingtheit aller Vorkommnisse entfalten alle Reichtümer des Geistes. Dies geschieht durch die sechste und letztendliche Weisheitsstufe der befreienden Taten.
Mit dieser Sichtweise, der Weisheit, wirken die fünf grundlegend sinnvollen Taten befreiend oder gar erleuchtend, und jede Begegnung mit Wesen und Welt ist ein willkommenes Anwendungsgebiet auf dem Weg. Alles Angenehme ist dann ein Segen, etwas Gutes, das man mit anderen teilen kann, alle Schwierigkeiten erfährt man als eine Lehre und das Auflösen von schlechtem Karma.
Nur über das Speichern sinnvoll-nützlicher Handlungen und Worte und durch das Verwirklichen von Weisheit wird Erleuchtung erlangt. Deshalb ist es sowohl für Sterbende als auch für Begleiter folgerichtig, sogar die Zeit des Abschieds für das Ansammeln von guten Eindrücken zu nutzen.
Es werden nun im Folgenden die wesentlichen Punkte beschrieben, die Buddha ohne erhobenen Zeigefinger für alle Lebensbereiche empfohlen hat, um allgemein nutzbringend mit anderen umzugehen: Hilfestellungen, die man sehr gut bei der Sterbebegleitung anwenden kann.
Großzügigkeit
Nichts bringt die Wesen einander näher als einfache Zeichen, die Sympathie und den Wunsch, anderen Gutes zu tun, zum Ausdruck bringen: eben Freigebigkeit. Man bejaht dadurch den Reichtum, der dem Raum innewohnt, und die nützlichen Eigenschaften, die die Wesen besitzen. Aus dieser Lage heraus ist Geben leicht, weil es erfüllend und Teil eines Ganzen ist. In den überlieferten Texten wird zwischen drei Arten des Gebens unterschieden:
1. Mit Essen, Geld oder auch Zeit großzügig sein, insbesondere, wenn man damit unmittelbar das Überleben anderer sichern kann. Großzügiges Verhalten bezieht sich auch auf den Alltag. Man schenkt Zeit, Liebe, Vertrauen und genießt die gemeinsamen Stunden.
Bezogen auf Sterbebegleitung bedeutet Großzügigkeit, einem Schwerkranken oder Sterbenden die letzte Zeit seines Lebens zu bereichern. Dabei gilt es, auf seine Bedürfnisse zu achten, anstatt ihn durch eine allzu fürsorgliche Belagerung zu ersticken. Augenblicke der unmittelbaren Offenheit sind besonders wertvoll, sie geben Kraft, ehren die Verbindung und beschenken alle Beteiligten. Tränen und Trauer sind hingegen keine Hilfe für den Sterbenden, sie werden ihn eher ablenken und belasten. Besser ist, die aufkommenden Gefühle für Pflege und einen klaren Austausch zu verwenden, wodurch man dem Sterbenden Sicherheit zuteilwerden lässt. Dies erleichtert den Übergang vom Leben in den Tod und macht Sinn.
2. Anderen Schutz, aber vor allem eine sinnvolle Erziehung und Ausbildung gewähren. Das hilft ihnen ein Leben lang. Aber auch langfristige Hilfestellungen, wie etwa in armen Ländern der Welt straffe Begrenzungen der Geburtenrate zu unterstützen, um Kindern wie Eltern ein würdiges Leben zu ermöglichen, gehören dazu.
Schutz im Falle der Sterbebegleitung könnte bedeuten, alles Praktische für den Sterbenden zu regeln, so dass er das beruhigende Gefühl bekommt, dass tatsächlich alles in Ordnung ist. Man hilft ihm auch dabei, sein Testament zu verfassen, seine Papiere zu ordnen und schwierige Verwandte oder Geschäftspartner von lästigen Besuchen abzuhalten, damit er nicht durch unnötige und unangenehme Themen vom Wesentlichen abgehalten wird. Statt über Belangloses zu reden, ist es viel wichtiger, dem Sterbenden Zeit zu lassen, um sich bewusst von allem Materiellen und allen Freunden zu verabschieden. Er kann sich viel leichter von diesem Leben trennen, wenn er seine Besitztümer noch zu Lebzeiten bewusst an Freunde verteilt hat.
3. Das Geschenk der befreienden Lehre Buddhas. Es wirkt über alle Leben bis zur Erleuchtung: Auf den anfangslosen Geist zeigend, umfasst sie dieses Leben, das Sterben, den Tod danach und alle Wiedergeburten bis zur Erleuchtung. Die Stellen im Spiegel des Geistes, die mit diesem Wissen klar wurden, werden auch in künftigen Leben sehr leicht an diese Ebene anknüpfen können, bis das Ziel – der voll verwirklichte Mensch – dasteht. Deswegen gilt das Teilen der Lehre als die höchste Form von Großzügigkeit. Kann man dem Sterbenden vermitteln, dass sein Geist nur für die jetzige Lebensdauer an diesen zerfallenden Körper
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