Von Tod und Wiedergeburt (German Edition)
Umgang mit dem Tod über die Jahrhunderte in steter Veränderung. In Spätmittelalter und früher Neuzeit war der Tod aufgrund von Kindersterblichkeit, Missernten, Kriegen und Seuchen ein vertrauter Bestandteil des Alltags. Der Tod und das Leben waren allgegenwärtig miteinander verknüpft – nicht nur, weil man viel häufiger als heute durch einen Unfall oder ein Missgeschick unversehens unter den Toten weilen konnte, sondern auch, weil die Sterbenden zu Hause bis in den Tod betreut und gepflegt wurden. In nahezu allen Gesellschaften galt der Tod als Reise in eine andere Welt, auf die man sich bereits im Leben vorbereiten sollte. Sterben war die bewusste Vorbereitung auf den bevorstehenden Tod, sowohl für den Sterbenden als auch für die Gemeinschaft, und begann mit den ersten Anzeichen des Verfalls. Man starb – außer im Kriegs- und Seuchenfall – selten allein: Freunde, Nachbarn und Verwandte waren um das Bett versammelt, um dem Sterbenden beizustehen, und der Tod war nicht nur das Ende, sondern immer auch ein neuer Anfang, auf den man sich vorbereiten wollte. In vielen Kulturen wurde die Verfassung des Menschen in seiner Todesstunde als ausschlaggebend für sein weiteres Geschick angesehen. Es war also wichtig, rechtzeitig bereit zu sein und sich die vor einem liegenden Geschehnisse vor Augen zu führen, damit man sich wappnen konnte.
Mit der Industrialisierung und dem Fortschritt der Medizin im 19. Jahrhundert verschob sich die Aufmerksamkeit im Westen schleichend vom sterbenden Menschen zum sterbenden Körper. Man entdeckte mehr und mehr lebensverlängernde Maßnahmen, die mit Aufenthalten in Krankenhäusern und unbekannten Pflegern verbunden waren. Das Umfeld wurde kälter, häufig unpersönlich und zielbezogen. Die Aufgliederung der Arbeiten in verschiedene Berufszweige veränderte auch die Verbindung zum Sterbenden bzw. Verstorbenen. Ein Beispiel dafür ist die Einführung des unpersönlichen Verwaltungsaktes des Totenscheins, wobei ein meist unbekannter Arzt den exakten Todeszeitpunkt und die Ursache festhält, während Angehörige kaum beachtet werden. Ein anderes Beispiel ist das professionelle Bestattungsinstitut, das der Familie alle Aufgaben nach dem Tod wie Waschen, Anziehen, das Schalten von Anzeigen, die Organisation der Totenfeier etc. abnimmt.
Würdevolles Abschiednehmen
Wer auf dem Sterbebett das durch Medikamente oder Verfall stark veränderte Überbleibsel eines einst blühenden Menschen erlebt, sieht das bestimmt höchst ungern. Man möchte aufbauend und bejahend sein, weiß aber nicht richtig, wie. Der Weg dahin ist, die Unzerstörbarkeit der Buddhanatur eines jeden zu verstehen und zu erkennen, dass all das Sinnvolle, das der Sterbende zuvor in seinem Leben vollbracht hat, noch bei ihm ist und sein eigentliches Wesen ausmacht. Diese Sicht lässt eine würdevolle Einstellung zum Sterbenden wie zum Sterben selbst entstehen. Die verschiedenen Radioprogramme laufen noch weiter, nur schafft das Empfangsgerät (der Körper) lediglich, ein paar Kratzgeräusche davon an die Welt weiterzugeben. Der Geist an sich ist aber wie der zeitlose Raum, der, allumfassend und unveränderlich, zugleich alles hervorbringt. Er kann weder sterben noch vergehen, weil er nicht entstanden ist oder aus irgendetwas zusammengesetzt wurde. Was man zerfallen und sterben sieht, ist lediglich der Körper, an dem man bis in den Tod hinein stark anhaftet. Wenn man als Begleiter eines liebgewonnenen tollen Menschen weiß, dass nichts verloren gehen kann und die im Speicherbewusstsein des Geistes angesammelten Neigungen nach einer Reifung im Zwischenzustand im nächsten Leben wieder auftauchen werden, kann man sich entspannen. Als Buddhist stellt man sich darauf ein, dass der Sterbeprozess in eine neue Wiedergeburt mündet – man wohnt dann gewissermaßen den Anfängen einer neuen Verpackung des Geistes in einem hoffentlich glückbringenden Behälter bei.
Damit der Abschied der Angehörigen vom Sterbenden nicht zu schmerzhaft wird, hilft es beiden Seiten, sich darauf vorzubereiten. Klug ist, wenn der Sterbende allen alles Gute wünscht und sich langsam, aber sicher von seiner Familie, seinen Freunden und seinen Besitztümern verabschiedet. Aufmunternd und oftmals die Beziehung abrundend ist auch die freudvolle Erinnerung an all das Gute und Sinnvolle, das man gelernt und geteilt hat. Alle können dann frei weitergehen.
Schwierigen Menschen sollte der Sterbende vergeben und so das Band zu ihnen auflösen, um
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