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Von Traeumen entfuehrt (eShort)

Von Traeumen entfuehrt (eShort)

Titel: Von Traeumen entfuehrt (eShort) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Plum
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Metrostation Saint-Paul.
    Wir haben noch genau anderthalb Minuten , sagt Ambrose, während wir die Stufen hinunterlaufen.
    »Wer ist dran?«, frage ich Vincent.
    »Eigentlich Ambrose, aber der hat doch vor zwei Tagen ein Kind gerettet«, antwortet er.
    »Wann bist du das letzte Mal gestorben? Vor einem Jahr, oder?«, frage ich.
    Vincent nickt.
    »Ich im März. Was hältst du davon, wenn du das übernimmst?«, biete ich an.
    Wenn ihr euch nicht beeilt, muss keiner von euch mehr irgendwas übernehmen , sagt Ambrose, als wir endlich den Bahnsteig erreichen.
    »Da ist der arme Vogel, den ich mit Lucien gesehen habe«, sagt Vincent und zeigt auf einen Mann im Anzug, der ziemlich unverblümt schluchzt.
    Genau der ist es , bestätigt Ambrose.
    Der Mann stellt seine Aktentasche auf den Bahnsteig und springt auf die Gleise. »Jetzt!«, sage ich und Vincent will gerade lossprinten, als ein Mädchen hinter uns aufschreit. Da hat also noch jemand den Mann auf den Schienen bemerkt. Völlig perplex nehme ich wahr, dass es Kate ist. Sie zeigt mit ausgestrecktem Arm auf den Mann und dreht fast durch. Vincent sieht mich an. Ich weiß, was er denkt. »Dann los«, sage ich.
    Vincent rennt zu Kate und ich springe auf die Gleise. Der Mann schluchzt und hält den Kopf in beiden Händen. Der Windstoß, der die herannahende Bahn ankündigt, wirft mich einen Schritt zurück. Die Bahn schießt aus der Kurve und hält auf den Mann zu, während ich über die Schienen renne, um ihn rechtzeitig zu erreichen. Der halbe Bahnsteig liegt zwischen uns, ich bin mir nicht sicher, ob ich das noch schaffen kann.
    Die U-Bahn wirkt auf mich wie ein Drache, massiv, glänzend und gewaltig. Die gelben Scheinwerfer sind seine Augen, die heulende Hupe sein Kampfschrei. Das ist wie bei der Legende vom Heiligen Georg , denke ich. Mit dem Unterschied, dass diesmal der Drache gewinnt.
    Der Mann gibt einen entsetzten Laut von sich und im fast letzten Moment gelingt es mir, ihn von den Gleisen zu schubsen, in Sicherheit. In meiner allerletzten Sekunde schaue ich zu Vincent, der versucht, Kates Blick abzuwenden, damit sie mich nicht sterben sieht. Die Bahn hat mich fast erreicht, Funken fliegen, Bremsen quietschen, weil der Fahrer doch noch versucht, das Unvermeidliche zu verhindern.
    Es bleibt keine Zeit mehr wegzuspringen. So läuft das eben bei uns , denke ich. Der Tod ist eine willkommene Geliebte, nur verdammt brutal.
    Ich wappne mich für die Sekundenbruchteile qualvollen Schmerzes, die mir blühen, wenn der Aufprall mir das Leben nimmt. Vincent und ich wechseln noch einen Blick. Ich tippe mir wie zum letzten Gruß an die Stirn, dann sterbe ich.

Kapitel 6
    A ls mein Geist erwacht, ist es still im Haus. Ich streife durch die Gänge und Korridore, verschaffe mir einen Überblick, wer gerade zu Hause ist und bleibe bei Vincent hängen, der allein in seinem Zimmer sitzt. Er hockt im Schneidersitz vorm Kamin, wirft Brotstückchen ins Feuer und schaut ihnen zu, wie sie Feuer fangen. Ein Tablett voller Köstlichkeiten steht vor ihm, die er augenscheinlich alle nicht angerührt hat. Er muss das Abendessen geschwänzt haben, wenn Jeanne zum Zimmerservice übergegangen ist.
    Was ist los? , frage ich und weiß schon, dass es etwas mit ihr zu tun haben wird.
    »Jules, du bist wieder da. Dein Unfall sah furchtbar schmerzhaft aus. Ich hoffe mal, du kriegst ordentlich Bonuspunkte dafür.« Er klingt schrecklich betrübt. Ich weiß, dass er sich freut, mich ‚wiederzusehen‘, aber irgendetwas stimmt definitiv nicht.
    Ich sage nichts, weshalb er irgendwann von selbst erzählt. »Kate will mich nie wiedersehen.« Er formt ein weiteres Stück Brot zu einer Kugel und wirft es in die Flammen. »Sie meint, dass etwas nicht mit mir stimmt, weil mich dein Tod nicht berührt hat.«
    Eine völlig normale Reaktion, schließlich ist sie eine Sterbliche und wir Unsterbliche , erwidere ich.
    »Aber Jules«, sagt er, legt sich auf den Rücken und starrt an die Decke. »Ich habe noch nie einen Menschen wie sie getroffen. Dieses Gefühl hatte ich nicht mehr, seit Hél…«
    Hey, mal schön langsam, mein Freund , unterbreche ich ihn. Jetzt bist du hochoffiziell in der Gefahrenzone angelangt. Du solltest deinen Glückssternen danken, dass Kate dich verlassen hat. Stell dir doch nur mal vor, sie hätte sich in dich verliebt und du hättest sie abservieren müssen. Das wäre richtig hart gewesen, Mann. Die oberste Regel beim Umgang mit den Ladys: Man verletzt sie niemals. Du überzeugst sie

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