Von wegen Liebe (German Edition)
verdammten Kuss zu vergessen und was für eine Idiotin ich gewesen war.
Versuchte, versuchte, versuchte.
Und scheiterte kläglich.
FÜNF
Als ich noch in den Kindergarten ging, hatte ich einen kleinen Klettergerüst-Unfall. Es war ein traumatisches Erlebnis. Ich hangelte gerade ungefähr auf halber Höhe mit baumelnden Beinen an einer der Streben, als meine Hände schwitzig wurden und ich abrutschte. Ich hatte das Gefühl, in einen endlos tiefen Abgrund zu fallen, bevor ich unsanft auf dem Boden landete. Die anderen Fünfjährigen lachten mich aus und zeigten mit den Fingern auf meine aufgeschürften, blutigen Knie. Alle, bis auf eine.
Casey Blithe löste sich aus der kichernden und glotzenden Horde und lief zu mir. Sogar damals schon wusste ich, dass sie wunderschön war. Blonde Locken, haselnussbraune Augen, rosige Wangen … der Inbegriff einer perfekten Fünfjährigen. Sie hätte jeden Schönheitswettbewerb gewinnen können.
»Hast du dir sehr wehgetan?«, fragte sie.
»Geht schon«, sagte ich, während mir dicke, heiße Tränen über die Wangen liefen. Ich wusste nicht, ob ich weinte, weil mein Knie so wehtat oder weil die anderen mich so auslachten.
»Aber du blutest. Komm, ich helf dir.« Sie reichte mir eine Hand und zog mich hoch. Dann drehte sie sich um und schnauzte die anderen Kinder an, die sich immer noch über mich lustig machten.
Von da an betrachtete sie sich als meine persönliche Aufpasserin, hatte immer ein Auge auf mich und versuchte, alles Übel von mir fernzuhalten. Sie wurde meine beste Freundin.
Das war natürlich, bevor Dinge wie Beliebtheit und DUFF s ins Spiel kamen. Aus Casey wurde eine eins fünfundachtzig große amazonengleiche, schlanke, langbeinige Schönheit und die Anführerin der Cheerleader. Und aus mir wurde … tja, das Gegenteil. Wenn man uns getrennt voneinander sah, wäre kein Mensch je auf den Gedanken gekommen, dass wir uns so nahestanden. Niemand hätte auch nur vermutet, dass die hübsche Homecoming Queen die beste Freundin des unscheinbaren Pummelchens war.
Aber genau so war es. Sie war immer für mich da gewesen, war mit mir durch dick und dünn (ha, ha) gegangen. Und auch als mir in der neunten Klasse zum ersten – und wenn es nach mir ginge, zum einzigen – Mal das Herz gebrochen wurde, war sie mir nicht von der Seite gewichen. Obwohl sie ohne Probleme hübschere, coolere und beliebtere Freundinnen hätte haben können, hatte sie immer zu mir gehalten.
Als sie mich also am Mittwochnachmittag fragte, ob ich sie nach dem Cheerleadertraining nach Hause fahren könnte, sagte ich, ohne lange zu überlegen, Ja. Nach allem, was sie in den letzten zwölf Jahren für mich getan hatte, war es das Mindeste, dass ich ab und zu den Chauffeur für sie spielte.
Ich setzte mich solange in die Cafeteria und versuchte, meine Mathehausaufgaben zu machen, starrte dabei immer wieder an die in psychedelischem Blau und Orange gestrichenen Wände (der Typ, der die Schulfarben ausgesucht hatte, musste ein ernstes Drogenproblem gehabt haben) und fragte mich – wie vermutlich schon etliche Schülergenerationen vor mir –, wofür ich den Mist im wirklichen Leben eigentlich brauchte. Plötzlich fühlte ich eine Hand auf meiner Schulter. Meine Haut fing an zu kribbeln, und ich wusste sofort, wer hinter mir stand.
Na super.
Ich schüttelte Wesleys Hand ab, wirbelte zu ihm herum und richtete meinen Stift wie einen Wurfpfeil auf seinen Adamsapfel.
Er zuckte noch nicht einmal mit der Wimper. Stattdessen betrachtete er mit geheucheltem Interesse den Stift und sagte: »Begrüßt du so alle Jungs, die du magst?«
»Ich mag dich nicht.«
»Heißt das, du liebst mich?«
Gott, wie mich dieses eitle, selbstverliebte Geschwafel anwiderte. Bestimmt gab es eine Menge Mädchen, die das sexy fanden, aber in meinen Augen war es einfach nur total stalkermäßig. Alles an ihm schrie: »Komm schon, du willst es doch auch!« Ekelhaft.
»Es heißt, dass ich dich hasse«, fauchte ich. »Und ich schwöre dir, wenn du dich nicht von mir fernhältst, dann zeige ich dich wegen sexueller Belästigung an.«
»Das würde ich mir an deiner Stelle lieber zweimal überlegen.« Wesley nahm mir grinsend den Stift aus der Hand und ließ ihn durch seine Finger gleiten. »Immerhin hast du mich geküsst. So gesehen, könnte ich eigentlich dich wegen sexueller Belästigung anzeigen.«
Ich biss die Zähne zusammen und verzichtete darauf, ihn daran zu erinnern, dass er den Kuss mehr als bereitwillig erwidert
Weitere Kostenlose Bücher