Von wegen Liebe (German Edition)
komm mit«, murmelte ich und führte ihn den Flur entlang, vorbei an den Englischklassenräumen.
Keine Ahnung, wie ich plötzlich auf diese Idee gekommen war, aber ich wusste genau, wohin wir gingen, und war mir auch darüber im Klaren, dass ich mir damit vermutlich den Ruf einer Schlampe einhandeln würde. Aber als wir die Tür des ungenutzten Hausmeisterkabuffs erreicht hatten, schämte ich mich nicht … zumindest noch nicht.
Wesley kniff misstrauisch die Augen zusammen, als ich die Tür aufmachte, mich kurz vergewisserte, dass uns niemand sah, und ihn dann hinter mir her in den winzigen Raum zog.
»Irgendetwas sagt mir, dass es hier nicht um den Scharlachroten Buchstaben geht«, raunte er, als ich die Tür hinter uns zumachte, und obwohl es dunkel war, wusste ich, dass er grinste.
»Sei einfach still.«
Dieses Mal kam er mir auf halbem Weg entgegen. Seine Hände verfingen sich in meinen Haaren, ich schloss die Finger um seine Unterarme. Wir küssten uns so stürmisch, dass ich mit dem Rücken gegen die Wand prallte. Ich hörte, wie irgendetwas umkippte, aber mein Gehirn blendete das Geräusch sofort wieder aus, als Wesley meine Hüften umfasste und mich fest an sich presste. Er war so viel größer als ich, dass ich den Kopf in den Nacken legen musste, um ihn zu küssen. Seine Lippen drängten sich hungrig gegen meine und der Duft seines Rasierwassers vertrieb den muffigen Geruch der Besenkammer aus meiner Nase.
Irgendwann spürte ich, wie sich seine Hände unter den Saum meines T-Shirts schoben. Keuchend löste ich mich von ihm und hielt ihn an den Handgelenken fest. »Nein … nicht jetzt.«
»Wann dann?«, flüsterte Wesley atemlos und drückte mich wieder an die Wand.
»Später.«
»Geht das auch etwas genauer?«
Ich wand mich aus seinen Armen und wich zur Tür zurück, wobei ich fast über etwas gestolpert wäre, das sich wie ein Eimer anfühlte. »Heute Abend«, sagte ich und strich mir die Haare aus dem Gesicht. »Ich komme so gegen sieben zu dir, okay?« Bevor er antworten konnte, schlüpfte ich aus der Kammer, lief den Flur hinunter und hoffte, dass ich nicht wie eine Verbrecherin auf der Flucht aussah.
ZEHN
Ich dachte, der letzte Gong würde nie ertönen. Die Ma thestunde zog sich unerträglich in die Länge und Englisch war nervenzerfetzend. Ich erwischte mich dabei, wie ich mehrmals zu Wesley hinüberschaute, begierig darauf, wieder in den Rausch des Nichtdenkens zu fallen, den seine Arme, Hände und Lippen bei mir auslösten.
Ich betete nur, dass meine Freundinnen nichts davon mitbekamen. Jess würde mir sofort glauben, wenn ich ihr sagte, dass sie Gespenster sah; aber Casey … Casey konzentrierte sich hoffentlich so auf Mrs Perkins’ Grammatikerklärungen, dass sie nicht zu mir rüberschaute. Sonst würde sie mich bestimmt so lange verhören, bis ich ihr alles gestand oder sie meine Ausflüchte durchschaute. Ich musste dringend hier raus, bevor ich entlarvt wurde.
Aber als es endlich gongte, hatte ich es plötzlich doch nicht mehr so eilig.
Jess hüpfte aufgeregt Richtung Cafeteria. »Ich freue mich so, ihn zu sehen!«
»Wir haben’s verstanden, Jess«, meinte Casey. »Du liebst deinen großen Bruder. Das ist wirklich süß, aber du hast diesen Satz heute schon ungefähr … zwanzigmal?, dreißigmal? von dir gegeben.«
Jess wurde rot. »Na ja, wenn ich mich eben so freue.«
»Ist doch klar, Süße.« Casey lächelte sie an. »Ich bin mir sicher, er ist genauso glücklich, dich zu sehen, aber vielleicht wäre es nicht schlecht, wenn du dich ein klitzekleines bisschen runterfährst, hm?« Ein paar Meter vor dem Ausgang zum Parkplatz blieb sie stehen und schaute zu mir zurück. »Kommst du, B?«
»Gleich.« Ich ging in die Knie und fummelte an meinen Schnürsenkeln herum. »Ich … ich muss erst noch kurz meine Schuhe zubinden. Geht schon mal vor. Kein Grund, wegen mir die Wiedervereinigung zu verzögern.«
Casey verstand sofort. Sie nickte, schob Jess weiter und plapperte munter drauflos, um sie von meiner lahmen Entschuldigung abzulenken. »Erzähl mal von seiner Verlobten. Wie ist sie so? Hübsch? Dumm wie ein Sack Kartoffeln? Ich will alles über sie erfahren.«
Ich drückte mich noch ungefähr zwanzig Minuten in der Cafeteria herum, um ihm auf keinen Fall auf dem Parkplatz zu begegnen. Schon seltsam. Vor ungefähr sieben Stunden war ich noch einem komplett anderen Typen aus dem Weg gegangen … den zu sehen ich jetzt kaum erwarten konnte. So krank es auch war, ich wünschte
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