Von wegen Liebe (German Edition)
grauenhaft gefunden, nur mit ihm zu sprechen . Aber je mehr meine Welt aus den Angeln gehoben wurde, desto größer wurde seine Anziehungskraft. Nicht dass mich jemand falsch versteht – ich hasste ihn immer noch von ganzem Herzen. Seine Arroganz löste in mir den Wunsch aus, zu schreien, aber dass er es schaffte, mich von meinen Problemen abzulenken – wenn auch nur für den Moment –, machte mich süchtig nach ihm. Er war meine Droge. Wie gesagt: echt krank.
Noch kranker war, wie ich Casey anlog, als sie mich um halb sechs anrief.
»Hey, wie geht’s dir? Ich kann nicht glauben, dass Jake wieder da ist. Macht es dir sehr viel aus? Willst du, dass ich rüberkomme?«
»Nein.« Ich war nervös und schaute immer noch alle paar Minuten auf die Uhr. »Mir geht’s gut.«
»Friss nicht wieder alles in dich rein, B«, sagte sie besorgt.
»Tu ich gar nicht. Es ist wirklich alles bestens.«
»Ich komme.«
»Auf keinen Fall!«, rief ich hastig. »Wirklich … das … das ist nicht nötig.«
Einen Moment lang war es still in der Leitung, und als Casey antwortete, klang sie verletzt. »Okay … aber ich kann trotzdem vorbeikommen, wir müssen ja nicht über Jake reden …«
»Ich kann nicht«, sagte ich. »Ich … ähm …« Es war drei Minuten nach halb sechs. Noch über eine Stunde, bis ich zu Wesley fahren würde. Aber das konnte ich Casey nicht sagen. Niemals. »Ich will heute mal ein bisschen früher schlafen gehen.«
»Was?«
»Ich bin gestern Abend viel zu spät ins Bett gegangen, weil ich … mir noch einen Film angeguckt hab. Ich bin fix und fertig.«
Sie wusste, dass ich log. Es war einfach zu offensichtlich. Aber sie fragte nicht weiter nach. »Dann vielleicht morgen?«, sagte sie. »Oder am Wochenende? Irgendwann musst du mal darüber reden, B. Auch wenn du denkst, dass es nicht nötig ist. Nur weil er Jessicas Bruder ist …«
Wenigstens dachte sie, ich würde mit meiner Lügerei verbergen wollen, dass mir die Sache mit Jake zusetzte. Besser so, als wenn sie die Wahrheit erfuhr.
Gott, was war ich bloß für eine miese Freundin. Aber ich konnte ihr das mit Wesley einfach nicht erzählen.
Als es endlich Viertel vor sieben war, griff ich nach meinem Mantel und raste die Treppe hinunter. Dad war in der Küche und schob sich gerade eine Tiefkühlpizza in die Mikrowelle. Er lächelte mich an, als ich meine Handschuhe anzog. »Hey, Dad«, sagte ich. »Ich muss noch mal kurz weg.«
»Wohin denn, Hummelchen?«
Oh … ähm … gute Frage. Ich hatte mir nicht überlegt, was für eine Geschichte ich ihm auftischen sollte, aber wenn alle Stricke reißen, ist es am besten, die Wahrheit zu sagen … zumindest teilweise.
»Zu Wesley Rush. Wir schreiben zusammen einen Englischaufsatz. Es wird aber nicht spät werden.« Oh bitte, dachte ich. Bitte lass mich nicht rot werden.
»Okay«, sagte Dad. »Viel Spaß mit Wesley.«
Ich flüchtete aus der Küche, bevor mein Gesicht in Flammen aufgehen konnte.
»Bis nachher, Dad.«
Ich rannte quasi zu meinem Auto und musste mich extrem beherrschen, das Gaspedal nicht bis zum Anschlag durchzudrücken, als ich auf den Highway bog. Das wäre ja noch schöner, wenn ich wegen Wesley Rush meinen ersten Strafzettel bekommen würde. Irgendwo musste eine Grenze sein.
Andererseits hatte ich die Grenze schon längst überschritten.
Bis jetzt hatte ich für Mädchen, die sich mit Wesley einließen, nichts als Verachtung übrig gehabt, und nun war ich eine von ihnen geworden. Ich redete mir ein, dass es in meinem Fall etwas anderes war. Diese Mädchen glaubten, sie hätten eine Chance bei Wesley; sie fanden ihn sexy und anziehend – was er irgendwie wohl auch war. Sie glaubten, er wäre eigentlich ein guter Kerl, den sie zähmen konnten, aber ich wusste, dass er ein Scheißkerl war. Ich wollte nur seinen Körper. Ohne weitere Verpflichtungen. Ohne Gefühle. Ich wollte nur meine Droge.
Machte das aus mir einen Junkie und eine Schlampe?
Als ich in seiner Einfahrt parkte, war ich zu dem Schluss gekommen, dass mein Verhalten entschuldbar war. Es gab Krebspatienten, die aus medizinischen Gründen Marihuana rauchten – meine Situation war sehr ähnlich. Würde ich Wesley nicht benutzen, um mich abzulenken, würde ich verrückt werden, also bewahrte ich mich davor, mich selbst zu zerstören, und gleichzeitig vor einer astronomisch hohen Therapeutenrechnung.
Ich sprang die Stufen zum Eingang hoch und klingelte. Eine Sekunde später ging die Tür auf. In dem Moment, in dem ich Wesleys
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