Von wegen Liebe (German Edition)
paar Sekunden später verstummte das Handy, aber meine nervöse Anspannung blieb. Caseys prüfender Blick auf mir machte es nicht gerade besser.
»Du hast nicht mehr mit ihm gesprochen?«
»Nein«, sagte ich leise.
»Seit dem Tag, als ich dich bei ihm zu Hause abgeholt hab?«
Ich nickte.
»Oh, B«, seufzte sie.
Es wurde still im Wagen – bis auf das Gewinsel der untalentierten Popsängerin im Radio, die jedoch zu sehr damit beschäftigt war, sich über ihren untreuen Freund auszuheulen, als sich um meine Probleme zu kümmern.
»Was, glaubst du, wollte er?«, fragte Casey, als der Song zu Ende war. Jetzt klang sie angespannt.
»Wie ich Wesley kenne – Sex«, antwortete ich. »Das ist das Einzige, was ihn interessiert.«
»Umso besser, dass du nicht drangegangen bist.« Casey legte das Handy in die Becherhalterung zurück und verschränkte die Arme. »Er hat dich nämlich nicht verdient, B. Außerdem bist du jetzt mit Toby zusammen, und er ist perfekt für dich und behandelt dich mit Anstand und Respekt … im Gegensatz zu diesem Scheißkerl.«
Irgendetwas in mir verspürte den Drang, Wesley zu verteidigen. Er hatte mich nicht wirklich schlecht behandelt. Ich meine, ja, er hatte mich ständig »Duffy« genannt, was nervig und verletzend gewesen war, aber insgesamt gesehen hatte er sich mir gegenüber völlig korrekt verhalten …
Aber das sagte ich Casey nicht. Ich sagte gar nichts. Sie wusste nichts von dem letzten Abend mit Wesley, dass er mir ungefähr zwölf Stunden lang wie ein echter Freund zur Seite gestanden hatte. Sie wusste nichts von Dads Rückfall oder davon, wie Wesley sich für mich eingesetzt hatte. Das waren Dinge, die ich ihr nie würde erzählen können.
Sie war bloß wütend auf ihn, weil sie Angst hatte, dass ich zu ihm zurückgehen und sie und Jess wieder hängen lassen würde. Hätte ich Wesley verteidigt, hätte ich diese Angst nur weiter geschürt.
Innerhalb weniger Tage war Toby in Caseys Augen vom Streber zum Superhelden aufgestiegen. Einfach nur, weil er mich ihr nicht wegnahm. Ich hatte allerdings auch nicht das Bedürfnis, jede freie Minute mit ihm zu verbringen, so wie mit Wesley. Ich hatte schlicht keine Lust dazu. Was mich ein bisschen beunruhigte, aber ich schätzte, das war normal. Es war eine gesunde Beziehung, keine panische Flucht wie die Sache mit Wesley. Und im Moment war ich einfach unglaublich froh, wieder ein bisschen mehr Zeit mit meinen Freundinnen zu verbringen.
Ich bog in Caseys Einfahrt, stellte den Motor aus und sah sie an. »Du hast recht. Toby ist toll und es geht mir so gut wie lange nicht. Also mach dir bitte keine Sorgen um mich.«
»Okay«, sagte sie und stieg aus. »Dann bis morgen, B.«
»Bis morgen.«
Als ich von ihr wegfuhr, fragte ich mich, ob ich sie gerade angelogen hatte. Ich war mir ehrlich gesagt nicht sicher.
Auf dem Weg nach Hause rief Wesley noch einmal an.
Ich ging wieder nicht dran.
Weil es mir so gut ging wie lange nicht.
Weil Toby der Richtige für mich war.
Weil es gefährlich war, während dem Autofahren zu telefonieren.
Ich verbannte Wesley aus meinem Kopf, als ich sah, dass Tobys Wagen schon in der Einfahrt stand. Dad war anscheinend noch nicht von der Arbeit zu Hause, deshalb hatte er sich mit einem Buch auf die Verandastufen gesetzt und las. Die Nachmittagssonne ließ seine blonden Haare golden leuchten. Als wäre er eine Trophäe.
Ich stieg aus und lief zu ihm. »Hey«, sagte ich. »Tut mir leid, dass du warten musstest. Ich hab Casey noch schnell nach Hause gefahren.«
Er blickte lächelnd zu mir auf.
Kein freches Grinsen.
Schluss damit, ermahnte ich mich stumm. Ich würde nicht an Wesley denken. Ich würde mir nicht erlauben, ihn zu vermissen. Nicht wenn ich Toby hatte. Den süßen, normalen Toby mit seinem strahlenden Lächeln.
»Kein Problem«, sagte er. »Ich hab das schöne Wetter genossen, das ist im Frühling ja unberechenbar.« Er legte das Lesebändchen zwischen die Seiten des Buches und klappte es zu.
»Brontë?«, fragte ich, als ich das Cover sah. » Sturmhöhe ? Ist das nicht eher was für Mädchen?«
»Hast du’s gelesen?«
»Nein«, gab ich zu. »Ich habe Jane Eyre gelesen, ein frühfeministisches Werk, wenn man so will. Nicht dass ich das schlecht finde, ich bin selbst überzeugte Feministin, aber für einen Typen in deinem Alter schon eine seltsame Wahl.«
Toby schüttelte den Kopf. » Jane Eyre ist von Charlotte Brontë, Sturmhöhe von ihrer Schwester Emily. Die beiden sind völlig
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