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Von Zweibeinern und Vierbeinern

Von Zweibeinern und Vierbeinern

Titel: Von Zweibeinern und Vierbeinern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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Aussehen wiedererlangt. Es war bemerkenswert.
    »So, Mr. Maxwell, ich denke, jetzt können wir sagen, sie ist wieder in Ordnung. Ich werde ihr morgen noch einmal eine Serie Spritzen geben, und dann ist Schluß.«
    »Dann kommen Sie morgen also noch einmal?«
    »Ja, zum letztenmal vorerst.«
    Das Gesicht des Bauern wurde ernst, und er trat auf mich zu. »Gut, dann habe ich noch eine Klage gegen Sie vorzubringen.«
    O Gott, dachte ich. Jetzt macht er mich doch noch wegen der Phlebitis und des Todes seiner Kuh damals fertig. Und das ausgerechnet in dem Moment, wo ich mich als Sieger fühlte. Aber wenn er es nun einmal beschlossen hatte, mir nach allem, was inzwischen geschehen war, die Hölle heißzumachen, konnte ich es nicht ändern. Ich mußte es über mich ergehen lassen.
    »So?« sagte ich mit unsicherer Stimme. »Und weswegen?«
    Er beugte sich vor und stieß mir seinen Zeigefinger in die Brust. Seine Miene veränderte sich, wurde düster und drohend. »Glauben Sie, ich hätte nichts Besseres zu tun, als jeden Tag hinter Ihnen herzufegen?«
    »Herfegen... Was...?« Ich sah ihn dümmlich an.
    Er deutete auf den Boden des Stalls. »Sehen Sie sich die Schweinerei da an! Das muß ich wegmachen!«
    Ich sah hinunter auf die dort herumliegenden leeren Penicillinröhrchen, auf die Zettel mit der Beschreibung, die jeder Packung beilagen, und auf die leeren Schachteln. Ich hatte das alles sorglos zu Boden fallen lassen, während ich die Kuh behandelte.
    »O Gott, entschuldigen Sie«, murmelte ich. »Das habe ich im Eifer des Gefechts gar nicht bemerkt...«
    Plötzlich brach er in ein gewaltiges Gelächter aus.
    »Da habe ich Sie schön angeführt, was? Natürlich haben Sie es nicht bemerkt. Sie waren ja damit beschäftigt, meine Kuh zu kurieren.« Er schlug mir auf die Schulter. Ja, das war Robert Maxwells Art, Dank zu sagen.
    Für mich war es die erste Erfahrung mit der Injektion von Antibiotika gewesen, und obwohl die Methode etwas unwissenschaftlich gewesen war, hatte ich doch etwas gelernt. Aber ich lernte auf diesem Hof noch mehr, weit mehr, als ich an der Universität und aus Fachzeitschriften gelernt hatte: ich lernte Lebensart. Auch in den folgenden Jahren hat Robert Maxwell nie eine Anspielung über das Desaster gemacht, das er mir so leicht hätte zur Last legen können.
    Es kam vor, daß ich die Unzulänglichkeit und die Fehler anderer Leute ausbaden mußte, aber auch wenn diese Leute auf mich angewiesen waren, habe ich mich doch nie mit ihnen angelegt. Aber für solche Fälle hatte ich ein Vorbild. Ich versuchte mich so zu verhalten, wie Robert Maxwell es getan hatte.

Kapitel 8
     
    »Weißt du, Jim«, sagte Siegfrieds Bruder Tristan und zog nachdenklich an seiner Pfeife, »ich frage mich oft, ob es wohl noch einen Menschen gibt, dessen Gunst sich darin ausdrückt, daß er einem Ziegenköddel schickt.«
    Wenn ich in ruhigen Momenten an meine Junggesellentage in Skeldale House zurückdachte, fiel mir meist auch diese Bemerkung von Tristan wieder ein. Ich weiß noch, wie ich überrascht von unserem Eingangsbuch aufblickte. »Hör mal, das ist aber wirklich komisch! Ich habe nämlich gerade dasselbe gedacht. Es ist schon eine komische Sache.«
    Wir waren gerade aus dem Eßzimmer gekommen, und ich sah noch deutlich den Frühstückstisch vor mir. Mrs. Hall pflegte die Briefe, die für uns kamen, immer neben unsere Teller zu legen, und an Siegfrieds Platz stand, den Tisch wie ein Zeichen des Triumphes beherrschend, die Dose mit Ziegenköddeln von Miss Grantley.
    Wir wußten alle, was es war, trotz des braunen Einwickelpapiers, denn Miss Grantley benutzte immer den gleichen Behälter, eine leere Kakaodose, etwa zwanzig Zentimeter hoch. Entweder sammelte sie diese Dosen bei ihren Freunden, oder sie war eine leidenschaftliche Kakaotrinkerin.
    Unbestreitbar jedoch war sie eine leidenschaftliche Ziegenliebhaberin. Ziegen beherrschten ihr Dasein – was insofern seltsam anmutete, als das Versorgen von Ziegen eigentlich kein Hobby für eine blonde Schönheit war, die ohne weiteres zum Film hätte gehen können.
    Seltsam war an Miss Grantley auch, daß sie nie geheiratet hatte. Nach jedem Besuch bei ihr fragte ich mich verwundert, wie sie sich die Männer vom Leibe hielt. Sie war um die dreißig, hatte eine hübsche rundliche Figur und sehr schöne Beine. Und wenn ich ihre feinen Gesichtszüge betrachtete, überlegte ich mir manchmal, ob vielleicht ihr energisches Kinn mögliche Verehrer abgeschreckt hatte. Andererseits war

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