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Von Zweibeinern und Vierbeinern

Von Zweibeinern und Vierbeinern

Titel: Von Zweibeinern und Vierbeinern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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»Natürlich gebe ich ihnen auch Kraftfutter.«
    »Volles Korn, hoffe ich?«
    »Ja, immer.«
    »Gut, sehr gut. Das erhält den pH-Spiegel im Magen aufrecht. Sie wissen, daß ein niedriger pH-Wert Hypertrophie an den Magenwänden verursachen kann und die zur Verdauung von Kohlehydraten wichtigen Bakterien hemmt?«
    »Nein... Davon verstehe ich leider nichts.« Sie sah ihn an, als wäre er ein Prophet.
    »Das macht nichts«, sagte Tristan fröhlich. »Sie machen alles richtig, und das ist die Hauptsache.«
    »Kann ich bitte die Schere haben?« brummte ich, leicht pikiert. Es störte mich, wie Tristan Eindruck auf Miss Grantley schindete, so daß sie mich, der ich die ganze Arbeit machte, darüber völlig vergaß.
    Aber ich stichelte verbissen weiter. Dankbar beobachtete ich, wie die Haut sich langsam über der Wunde schloß, während ich mit der anderen Hälfte meines Bewußtseins verblüfft Tristans Ausführungen über den Bau von Ziegenhäusern, über ihre Ausmaße und die Frage der Ventilation und der relativen Luftfeuchtigkeit lauschte.
    Miss Grantley nahm es kaum zur Kenntnis, als ich schließlich den letzten Faden verknotete und mich mühsam erhob. »Nicht wahr, jetzt sieht es schon viel besser aus«, sagte ich, aber es machte keinen Eindruck, denn Tristan und meine Klientin hatten sich inzwischen in eine Diskussion über die Vor- und Nachteile einer bestimmten Ziegenart verstrickt.
    »Ach, Sie geben wirklich der Toggenburg und der Anglo-Nubian den Vorzug?« fragte sie.
    »Eindeutig«, erklärte Tristan entschieden. »Ausgezeichnete Tiere, beide.«
    Miss Grantley merkte plötzlich, daß ich fertig war. »Oh, ich danke Ihnen, Herr Doktor«, sagte sie abwesend. »Sie haben sich solche Mühe gegeben. Ich bin Ihnen sehr dankbar. Und jetzt müssen Sie, bitte, beide auf eine Tasse Kaffee mit hereinkommen.«
    Während wir in ihrem eleganten Wohnzimmer unsere Tassen auf den Knien balancierten, plauderte Tristan unbeirrt weiter. Er verbreitete sich über Probleme der Fortpflanzung, der Geburtshilfe und der Ernährung entwöhnter Jungtiere, und er war mitten in einer Abhandlung über die nötige Betäubung beim Entfernen der Hörner, als Miss Grantley sich an mich wandte. Sie war immer noch sichtlich in seinem Bann, hatte aber wohl das Gefühl, es sei höflicher, mich in das Gespräch mit einzubeziehen.
    »Dr. Herriot, eins macht mir Kummer. Ich teile mir eine Weide mit dem Bauern nebenan, und meine Ziegen grasen oft zusammen mit seinen Mutterschafen und Lämmern. Jetzt habe ich gehört, daß seine Schafe Kokzidiose haben. Besteht die Möglichkeit, daß meine Ziegen sich anstecken?«
    Ich nahm einen großen Schluck Kaffee und verschaffte mir auf diese Weise Zeit zum Nachdenken. »Nun... ja... ich würde sagen...«
    Tristan mischte sich ein. »Sehr unwahrscheinlich. Die meisten Arten der Kokzidiose sind spezifisch für ihre individuellen Wirtstiere. Ich glaube, Sie brauchen sich deswegen keine Gedanken zu machen.«
    »Vielen Dank.« Miss Grantley wandte sich wieder an mich. Es war, als wollte sie mir eine letzte Chance geben. »Und wie ist es mit Würmern, Dr. Herriot? Können meine Ziegen durch die Schafe von Würmern befallen werden?«
    »Ja, wissen Sie...« Ich stellte meine Tasse klappernd auf die Untertasse. Schweißtropfen traten mir auf die Stirn. »Die Sache ist...«
    »Genauso ist es«, murmelte Tristan und kam mir noch einmal zu Hilfe. »Wie Mr. Herriot gerade sagen wollte, ist es mit der Wurmkrankheit eine andere Sache. Da besteht eine sehr reale Gefahr der Infektion, denn der gemeine Fadenwurm befällt sowohl Schafe als auch Ziegen. In diesem Falle sind regelmäßige Wurmkuren angezeigt, und wenn ich Ihnen einen Rat geben darf...«
    Ich sank immer tiefer auf meinem Stuhl, während Tristan seine gelehrten Ausführungen über die neuesten Antiwurmmittel und ihre Wirkung auf Trychostrongulus, Haemonchus und Ostertagia fortsetzte.
    Endlich kam er zum Schluß, und wir gingen zum Wagen. »Ich komme in zehn Tagen wieder, um die Fäden zu ziehen«, sagte ich zu Miss Grantley, die uns vorm Haus verabschiedete. Und mir wurde bewußt, daß dies der einzig vernünftige Satz war, den ich gesagt hatte.
    Ich fuhr ein paar hundert Meter die Landstraße entlang, dann hielt ich an und wandte mich Tristan zu.
    »Seit wann bist du ein Ziegenliebhaber?« fragte ich bitter. »Und wieso, zum Teufel, bist du obendrein ein Ziegenexperte? Woher hast du all das Zeug, das du da eben von dir gegeben hast?«
    Tristan kicherte, dann warf er

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