Von Zweibeinern und Vierbeinern
Herriot.«
»Ja, aber es ist immerhin ein besonderer Abend.«
»Ja, das stimmt wohl.« Er zögerte. »Ich will Ihnen was sagen. Ich schließe ab, dann können wir unten noch ein, zwei Gläser zum Abschluß trinken.«
Ich legte den Arm um ihn. »Eine großartige Idee!«
Wir gingen in den Keller hinunter, machten Licht, zogen die Tür hinter uns zu und machten es uns zwischen Fässern und Holzverschlägen bequem. Außer uns vieren und dem Wirt waren noch zwei junge Bauern, ein Lebensmittelhändler und ein Mann von der Wasserbehörde da.
Hier unten war alles noch bequemer. Statt den Wirt zu bemühen, gingen wir einfach an ein Faß und drehten den Hahn auf.
»Noch genug in der Brieftasche, Reg?« rief ich.
»Ja. Mehr als genug. Keine Sorge. Bedient euch.«
Und das taten wir denn. Lange nach Mitternacht hörten wir es plötzlich draußen klopfen. Reg horchte einen Moment und ging nach oben. Gleich darauf kam er zurück, begleitet von dem langbeinigen und blaßgesichtigen Polizisten Hubert Goole.
Schweigen breitete sich aus, als der melancholische Blick des Polizisten langsam über uns hinwanderte.
»Ein bißchen spät schon, nicht?« sagte er tonlos.
»Na ja.« Tristan lachte fröhlich auf. »Es ist ein besonderer Anlaß, Mr. Goole, verstehen Sie? Mr. Herriots Frau hat heute morgen eine kleine Tochter bekommen.«
»So?« Das gestrenge Gesicht blickte aus seiner knochigen Höhe auf meinen Freund hinunter. »Ich kann mich nicht erinnern, daß Mr. Wilkey heute um eine Sondergenehmigung nachgesucht hat.«
Mr. Goole war in der Stadt als strenger, unnachgiebiger Gesetzeshüter bekannt. Es war nicht gut, ohne Licht am Rad zu fahren, wenn Mr. Goole seine Runden drehte. Bei dieser Übertretung war er besonders gnadenlos. Er sang im Kirchenchor mit, und seine Moral war unantastbar, er war aktiv in der Gemeindearbeit, und er machte alles richtig. Seltsam, daß er es mit seinen fünfzig Jahren nicht weiter gebracht hatte.
Tristan schlug zurück. »Aber das ist auch eine spontane Sache, eine Eingebung des Augenblicks, verstehen Sie?«
»Sie können es nennen, wie Sie wollen, es bleibt ein Gesetzesbruch.« Er knöpfte seine Brusttasche auf und zog seinen Block heraus. »Ich muß Ihre Namen notieren.«
Ich saß auf einer umgekippten Kiste und umklammerte meine Knie. Was für ein Ende dieses schönen Abends. Es passierte nicht viel bei uns in der Stadt, und das würde in unserer kleinen Zeitung Schlagzeilen machen. Der arme kleine Reg stand unbehaglich im Hintergrund – er würde es ausbaden müssen. Und dabei war alles meine Schuld.
Tristan gab sich noch nicht geschlagen. »Mr. Goole«, sagte er, »ich bin enttäuscht von Ihnen.«
»Wie?«
»Ich sagte, ich bin enttäuscht. Ich hatte von Ihnen eine andere Haltung erwartet.«
Der Polizist hielt ungerührt seinen Bleistift in der Schwebe. »Ich bin Polizist, Mr. Farnon. Ich tue nur meine Pflicht. Wir können gleich mit Ihrem Namen anfangen.« Er schrieb umständlich. »Wie ist Ihre Adresse?«
»Mir scheint«, sagte Tristan, »Sie haben ganz die kleine Julie vergessen.«
»Was ist mit Julie?« Mr. Goole blickte auf. Julie war nämlich sein geliebter kleiner Yorkshire-Terrier.
»Ich erinnere mich noch«, fuhr Tristan fort, »daß Mr. Herriot stundenlang nachts bei Ihnen war, als Julie ihre Jungen bekam. Sie hätten sonst leicht die Jungen und auch Julie verlieren können. Es ist ein paar Jahre her, ich weiß, aber ich erinnere mich noch genau.«
»Na und? Ich habe Ihnen gesagt, ich tue nur meine Pflicht.« Er wandte sich an den Mann von der Wasserbehörde.
Tristan ging wieder zum Angriff über. »Ja. Aber trotzdem können Sie doch in einer Nacht wie dieser ein Glas mit uns trinken, wenn Mr. Herriot zum zweitenmal Vater geworden ist.«
Mr. Goole sah mich an und sein Gesicht wurde weich. »Julie ist auch wieder trächtig.«
»Ja, ich weiß«, sagte ich. »Erstaunlich – in ihrem Alter.«
»Und ich habe immer noch eins von den Jungen.«
»Das, mit dem Sie ein paarmal bei mir waren?«
»Ja... ja...« Mr. Goole zog seinen Uniformrock zurecht, griff in die Hosentasche und zog eine große Uhr heraus. »Aha – ich bin schon außer Dienst jetzt. Ich könnte tatsächlich ein Gläschen mit Ihnen trinken. Ich will nur schnell noch im Revier anrufen.«
»Fein.« Tristan ging zum Faß und zapfte ein neues Glas Bier.
Als der Polizist zurückkam, nahm er das Glas und hob es feierlich. »Ich wünsche dem kleinen Mädchen das Beste.«
»Danke, Mr. Goole«, erwiderte ich.
Weitere Kostenlose Bücher