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Von Zweibeinern und Vierbeinern

Von Zweibeinern und Vierbeinern

Titel: Von Zweibeinern und Vierbeinern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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hin?«
    Ich wandte mich überrascht um. »Ich setze meine Besuchsrunde fort. Es tut mir aufrichtig leid um Ihre Kuh, Mr. Biggins, aber ihr kann kein Mensch mehr helfen.«
    »Sie gehen einfach weg, ohne etwas zu tun?« Er sah mich wütend an.
    »Aber sie stirbt doch schon. Sie sagten es doch selbst.«
    »Ja, aber Sie sind der Arzt, nicht ich. Ich habe immer gehört, wo Leben ist, ist auch Hoffnung.«
    »In diesem Fall nicht mehr, das versichere ich Ihnen. Sie kann jeden Augenblick sterben.«
    Er starrte immer noch auf das Tier. »Sehen Sie, sie atmet doch noch. Wollen Sie ihr nicht doch eine Chance geben?«
    »Gut... wenn Sie wollen, kann ich versuchen, ihr ein Stimulans zu injizieren.«
    »Es geht nicht darum, was ich will. Sie sind derjenige, der es wissen muß.«
    »Also, ich werde etwas holen.« Ich ging zum Wagen, um die Spritze zu holen.
    Die junge Kuh lag im Koma und merkte nichts, als ich die Nadel in die Halsvene schob. Als ich den Kolben hinunterdrückte, fing Mr. Biggins wieder an zu sprechen.
    »Teuer, so eine Spritze, was? Wieviel wird sie mich kosten?«
    »Ich weiß es wirklich nicht.« In meinem Kopf fing es an zu rasen.
    »Sie werden’s schon wissen, wenn Sie den Stift in die Hand nehmen und mir Ihre dicke Rechnung schicken, wie?«
    Ich antwortete nicht. Als der letzte Tropfen Flüssigkeit in die Vene floß, streckte die Kuh die Vorderbeine aus, starrte eine Sekunde vor sich hin und hörte auf zu atmen. Ich beobachtete sie einen Moment lang und legte die Hand auf ihr Herz. »Ich fürchte, sie ist tot, Mr. Biggins.«
    Er beugte sich zu ihr hinunter. »Haben Sie sie getötet?«
    »Nein, natürlich nicht. Es war eben soweit.«
    Der Bauer rieb sich das Kinn. »War nicht viel los mit dem Stimulans, was?«
    Mir fiel keine passende Antwort ein, und so packte ich meine Sachen zusammen. Ich hatte nur noch den Wunsch, diesen Hof so schnell wie möglich zu verlassen.
    Ich war auf dem Weg zum Wagen, als Mr. Biggins mich am Arm packte.
    »Hören Sie, was war mit ihr los?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Sie wissen es nicht? Da vergeuden Sie mein Geld mit Ihrer Spritze und wissen es nicht? Tierärzte sollten so etwas aber wissen, wie?«
    »Ja, Mr. Biggins, das sollten sie. Aber in diesem Falle kann ich nur sagen, daß das Tier bereits am Sterben war, als ich kam. Man müßte eine Leichenöffnung machen, um die Todesursache festzustellen.«
    Der Bauer zerrte aufgeregt an seinem Mantel. »Ist ja eine seltsame Sache. Ich habe ein totes Tier hier, und keiner weiß, was es umgebracht hat. Es könnte alles sein, was?«
    »Ja... vermutlich ja.«
    »Auch Milzbrand?«
    »Nein, Mr. Biggins. Milzbrand ist eine sehr schnell verlaufende Krankheit, und Sie sagten, die Kuh sei über eine Woche krank gewesen.«
    »Nein, nein, nicht richtig krank. Sie war nur ein bißchen elend, und dann fiel sie plötzlich um, wie von einem Schuß getroffen.«
    »Ja, aber...«
    »Und Fred Bramley auf der anderen Seite der Straße hatte letzten Monat doch auch ein Tier mit Milzbrand, wie?«
    »Ja, das stimmt. Es war ein Fall dort – der erste hier in der Gegend seit mehreren Jahren. Aber das war bei einer Kuh, die er schon tot vorfand.«
    »Das macht nichts!« Mr. Biggins schob den Unterkiefer vor. »Die Zeitung hat darüber berichtet, und da stand, daß alle plötzlichen Todesfälle auf Milzbrand untersucht werden sollten, denn er wäre gefährlich und lebensbedrohend für den Menschen. Ich möchte, daß meine Kuh untersucht wird.«
    »Gut«, erwiderte ich. »Wenn Sie es wollen. Zufällig habe ich mein Mikroskop bei mir.«
    »Mikroskop? Ist wohl teuer, so eine Untersuchung, was? Wieviel soll es kosten?«
    »Das geht schon in Ordnung, das übernimmt das Ministerium«, sagte ich und ging aufs Haus zu.
    Mr. Biggins nickte mit finsterer Zufriedenheit. Dann hob er die Augenbrauen. »Wo wollen Sie hin?«
    »Ins Haus. Ich möchte Ihr Telefon benutzen. Ich muß das Ministerium benachrichtigen. Ich kann nichts tun, ehe ich nicht die Genehmigung bekomme. Aber keine Sorge, ich bezahle den Anruf«, fügte ich bissig hinzu.
    Er stand neben mir, während ich mit dem Beamten im Ministerium sprach. Er wurde nervös, als ich ihn nach seinem vollen Namen fragte und nach dem genauen Namen des Hofes und aus welcher Zucht die Kuh stammte.
    »Ich hatte keine Ahnung, was da alles dranhängt«, murmelte er.
    Ich ging nach draußen und holte mein Seziermesser aus dem Kofferraum. Es war ein langes, gefährliches Messer – ich benötigte es nur bei toten Tieren.
    Mr.

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