Von Zweibeinern und Vierbeinern
»Sehr nett von Ihnen.«
Er setzte sich auf eine der unteren Stufen, legte seinen Helm auf eine Holzkiste und trank einen kräftigen Schluck. »Mutter und Kind wohlauf, hoffe ich?«
»Ja, es geht ihnen gut. Trinken Sie noch ein Glas.«
Es war erstaunlich, wie schnell er sein Notizbuch vergessen hatte. Und die Erleichterung der anderen Gäste trug sehr zu der fröhlichen Stimmung bei.
»Verdammt heiß hier unten«, bemerkte Mr. Goole nach einiger Zeit und legte seinen Uniformrock ab. Mit dieser symbolischen Geste fiel auch die letzte Barriere.
Und doch, in den nächsten zwei Stunden betrank sich keiner von uns richtig. Keiner außer Mr. Goole. Wir anderen lachten nur und alberten und redeten.
Mr. Goole betrank sich. Zuerst bestand er darauf, sich mit uns allen zu duzen, dann wurde er weinerlich und kam auf das Wunder der Geburt zu sprechen, und schließlich wurde er aggressiv.
»Trink noch ein Glas, Jim.« Es war mehr ein Befehl. Er stand leicht schwankend vor dem Faß und hielt das Glas unter den Hahn.
»Nein, danke, Hubert«, erwiderte ich. »Ich habe genug.«
Er blinzelte wie eine Eule. »Du willst nichts mehr trinken?«
»Nein, wirklich, Hubert, es ist genug. Ich habe schon lange vor dir angefangen.«
»Dann bist du ein verdammter Drückeberger, Jim«, sagte er. »Und wenn es etwas gibt, was ich nicht leiden kann, dann ist es ein Drückeberger.«
Ich versuchte, ihn mit einem gewinnenden Lächeln zu beschwichtigen. »Tut mir leid, Hubert, aber ich bin voll bis oben hin, und außerdem ist es halb zwei. Ich glaube, wir sollten Schluß machen.«
Die Gesellschaft erhob sich.
»Schluß machen?« Hubert sah mich angriffslustig an. »Was ist los mit dir? Die Nacht ist noch jung.« Er goß einen großen Schluck Bier in sich hinein. »Erst fragst du einen, ob man ein Glas mit dir trinken will, und dann sagst du, wir sollten Schluß machen Das ist nicht recht.«
»Komm, Hubert«, sagte Reg Wilkey, der Wirt, und sah ihn lächelnd an. Immerhin hatte er dreißig Jahre Erfahrung im Umgang mit störrischen Kunden. »Sei ein guter Kumpel. Wir haben einen herrlichen Abend gehabt, es war schön, dich bei uns zu haben, aber jetzt wollen alle nach Hause. Wo ist dein Uniformrock?«
Der Polizist brummte, als wir ihm in seine Jacke halfen und ihm den Helm auf den Kopf setzten. Aber er erlaubte uns, ihn die Treppe hinauf zu führen. Draußen verfrachtete ich ihn zwischen Tristan und Alex hinten im Wagen. Cliff saß vorn neben mir.
Bevor wir losfuhren, gab mir der Gastwirt meine Brieftasche durchs Fenster der Wagentür. Sie fühlte sich jetzt ziemlich schmächtig an.
Ich fuhr durch die schlafende Stadt und bog in die enge Straße zum Marktplatz ein. Gleich darauf sah ich, daß der gepflasterte Platz leer war, bis auf zwei Gestalten, die am Rande der Straße unter einer Laterne standen. Ohne das geringste Anzeichen von Unruhe erkannte ich Inspektor Bowles und Sergeant Rostron, die beiden ranghöchsten Polizeibeamten der Stadt. Sie standen aufrecht und ordentlich da, die Hände auf dem Rücken, aufmerksam um sich blickend.
Ein plötzlicher Aufschrei ließ mich fast in eine Schaufensterscheibe fahren.
»Da ist Rostron, der Schuft!« schrie Hubert Goole. »Den fresse ich auf! Dem sage ich jetzt mal, was ich von ihm halte!«
Er kurbelte das Fenster herunter und schrie mit lauter Stimme: »Ihr verdammten blöden...«
Ich erschrak.
»Bringt ihn zum Schweigen!« rief ich. »Bringt ihn um Gottes willen zum Schweigen!«
Doch meine Freunde hinten hatten schon das Ihre getan. Huberts Schreie erstarben, als Tristan und Alex sich über ihn warfen. Tristan saß tatsächlich auf seinem Kopf, und als wir an den beiden Polizisten vorbeifuhren, drangen nur gedämpfte Laute von unten herauf.
Der Inspektor nickte und lächelte mir zu, und der Sergeant entbot mir einen freundlichen Gruß, als wir vorbeifuhren. Ich wußte, was sie jetzt dachten: Mr. Herriot kommt wieder einmal von einem dringenden Fall zurück, der Arme! Mitten in der Nacht! Ein gewissenhafter Tierarzt, wahrhaftig!
Während Mr. Goole sich hinter mir krümmte und wand, fuhr ich weiter. Ich wurde erst wieder ruhig, als wir den Platz hinter uns hatten. Hubert, der sich wieder aufrichten durfte, hatte plötzlich seine Angriffslust eingebüßt und schlief ein. Doch als wir sein Haus erreichten, stieg er ruhig aus und ging geradewegs durch den Garten.
In Skeldale House schleppte ich mich nach oben. Unser Schlafzimmer mit dem Doppelbett, dem Schrank und dem Frisiertisch war
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