Von Zweibeinern und Vierbeinern
beruhigt hatten.
Plötzlich sprang ich auf. Ich glaube, ich sagte schon, daß ich ziemlich empfindsam bin und die Neigung habe, verrückte Dinge zu tun: Ich beschloß, auf der Stelle zum Nursing House zu fahren.
Damals sah man es gar nicht gern, wenn ein Ehemann so schnell nach der Geburt erschien. Das wußte ich. Trotzdem machte ich mich auf den Weg.
Als ich ins Haus trat, sah mich Schwester Brown zwar lächelnd, aber eine Spur befremdet an. »Ich habe Ihnen doch gesagt, daß Sie uns Zeit lassen sollten, bis das Baby gewaschen ist, Jim. Aber Sie nehmen meine Worte anscheinend nicht ernst.«
Ich ließ verlegen den Kopf hängen, und sie erbarmte sich. »Na gut, da Sie schon mal hier sind, können Sie auch raufkommen.«
Helen sah genauso müde und erhitzt aus, wie ich sie vom letzten Mal in Erinnerung hatte. Ich küßte sie dankbar. Wir sagten nichts, wir lächelten uns nur an. Dann warf ich einen Blick in die Wiege neben dem Bett.
Schwester Brown beobachtete mich mit zusammengepreßten Lippen und schmalen Augen, als ich hinunterblickte. Nach Jimmys Geburt war ich so erschreckt gewesen über den Anblick meines Sohnes, daß ich sie gefragt hatte, ob irgend etwas nicht in Ordnung sei mit ihm – was sie tödlich beleidigt hatte. Und die gleiche Sorge befiel mich auch jetzt. Ich will keine Einzelheiten aufzählen, aber das kleine Gesichtchen war verschrumpelt und rot und geschwollen, und ich war genauso erschrocken wie bei Jimmy.
Ich sah zu Schwester Brown hoch, die augenscheinlich nur darauf wartete, daß ich irgend etwas Abfälliges sagte. Ihr sonst so freundliches Gesicht war jetzt eine finstere Grimasse. Ein falsches Wort, und sie würde mich gegen das Schienbein treten – davon war ich fest überzeugt.
»Prächtig«, sagte ich schwach. »Wirklich prächtig.«
»Gut.« Sie hatte genug von mir. »Und jetzt gehen Sie.«
Sie führte mich nach unten, und als sie die Haustür öffnete, sah sie mich durchdringend an. Sie sprach langsam und akzentuiert, als hätte sie eine Person mit beschränkter Intelligenz vor sich.
»Es... ist... ein... wunderschönes... gesundes... Baby«, sagte sie und schlug die Tür hinter mir zu.
Und – Gott segne sie – ihre Worte halfen mir, denn als ich losfuhr, hatte ich das Gefühl, daß es tatsächlich stimmte. Und wenn ich jetzt, nach all den Jahren, meinen hübschen Sohn und meine schöne Tochter ansehe, kann ich meine Dummheit von damals kaum begreifen.
In der Praxis fand ich eine Nachricht vor, daß ein Bauer, der seinen Hof hoch in den Bergen hatte, meinen Besuch erwartete. Die Fahrt dorthin war wie ein glücklicher Traum. Meine Ängste waren vorüber, und es schien, als ob die ganze Natur sich mit mir freute. Es war der 9. Mai 1947 – der Beginn des herrlichsten Sommers, an den ich mich erinnern kann. Die Sonne schien strahlend, und die sanfte Brise, die in den Wagen drang, trug den Geruch des Moorlands und den süßen Duft von Glockenblumen, Himmelsschlüsselchen und Veilchen zu mir, die überall auf den Wiesen und im Schatten der Bäume blühten.
Als ich meinen Patienten verarztet hatte, machte ich auf einem Pfad, der über den Gipfel eines Hügels führte, einen langen Spaziergang. Ich betrachtete die wellige Ebene, die unter dem Sonnenglast schlief, und den jungen Farn an den Hängen, der stark und grün aus den abgestorbenen braunen Stielen des Vorjahrs sproß. Überall rief neues Leben seine jubilierende Botschaft in die Welt. Paßte das nicht zu meiner kleinen Tochter, die unten in Darrowby lag?
Wir hatten beschlossen, sie Rosemary zu nennen. Es ist ein hübscher Name, und ich liebe ihn immer noch. Aber es dauerte nicht lange, da wurde aus Rosemary Rosie, und obwohl ich mich gelegentlich dagegen wehrte, ist es bis zum heutigen Tage so geblieben. Inzwischen ist sie in unserer Gemeinde Doktor Rosie.
An diesem Maitag fing ich mich gerade noch rechtzeitig wieder. Ich legte mich bei Sonnenschein gern in das weiche Bett des Heidekrauts, das an dieser Seite der Hügel wuchs, und ich wollte mich gerade niederlassen, als mir einfiel, daß ich heute wahrhaftig anderes zu tun hatte. Ich fuhr schnell zurück nach Skeldale House und schickte meine gute Nachricht über das Telefon ins Land.
Sie wurde überall mit Entzücken aufgenommen, aber erst Tristan erfaßte das Außerordentliche der Situation.
»Wir müssen das Baby begießen, Jim«, sagte er ernst.
Ich war zu allem bereit. »Klar, natürlich, wann kommst du?«
»Ich bin um sieben bei dir«, sagte er kurz
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