Von Zweibeinern und Vierbeinern
Biggins’ Augen weiteten sich, als er es sah. »O Gott, so ein großes Messer! Das mag ich aber gar nicht sehen. Was wollen Sie damit?«
»Nur ein bißchen Blut entnehmen.« Ich beugte mich nieder, machte einen Einschnitt an der Schwanzwurzel der Kuh und strich etwas Blut auf eine Glasplatte, die ich, zusammen mit dem Mikroskop, mit in die Küche nahm.
»Was brauchen Sie?« fragte Mr. Biggins säuerlich.
Ich sah mich um. »Ich muß die Spüle benutzen, das Feuer und den Tisch am Fenster.«
Die Spüle war vollgestellt mit schmutzigem Geschirr. Der Bauer räumte sie murrend aus, während ich den Blutfilm fixierte, indem ich ihn durch die Flamme im Herd zog. Dann ging ich zur Spüle und goß Methylenblau über das Glasplättchen. Dabei bildete sich auf dem Boden der weißen Spüle eine kleine blaue Pfütze, die auch noch da war, als ich das Plättchen mit kaltem Wasser aus dem Hahn abgespült hatte.
»Sehen Sie sich die Schweinerei an, die Sie da angerichtet haben!« rief Mr. Biggins. »Ein Farbfleck in der Spüle! Meine Frau wird schön schimpfen, wenn sie heute nachmittag nach Hause kommt.«
Ich zwang mich zu einem Lächeln. »Keine Sorge, es ist kein Farbfleck. Es geht ganz leicht ab.« Aber ich sah, daß er mir nicht glaubte.
Ich trocknete das Glasplättchen am Feuer, machte das Mikroskop auf dem Tisch bereit und sah durch das Okular. Wie ich erwartet hatte, fand ich nur die üblichen Muster von roten und weißen Blutkörperchen. Ein Milzbrandbazillus war nicht zu sehen.
»Nein, da ist nichts«, sagte ich. »Sie können beruhigt den Abdecker anrufen.«
Mr. Biggins blies die Backen auf und machte eine langmütige Geste mit der Hand. »Und die ganze Aufregung für nichts«, seufzte er.
Als ich wegfuhr, hatte ich das Gefühl – und das nicht zum erstenmal –, daß man gegen Mr. Biggins einfach nicht ankam. Einen Monat später verstärkte sich diese Überzeugung, als er an einem Markttag in die Praxis kam.
»Eine meiner Kühe hat eine Holzzunge«, erklärte er. »Ich hätte gern etwas Jod zum Einpinseln.«
Siegfried blickte vom Eintragungsbuch auf. »Oh, Sie sind ein bißchen hinter der Zeit her, Mr. Biggins«, sagte er lächelnd. »Wir haben jetzt ein weit wirksameres Medikament als Jod.«
Der Bauer nahm seine übliche Haltung ein: mit gesenktem Kopf starrte er unter seinen dichten Augenbrauen hervor. »Ich kümmere mich nicht um Ihre neuen Arzneien. Ich möchte das haben, was ich immer benutzt habe.«
»Aber wissen Sie, Mr. Biggins«, sagte Siegfried vorsichtig, »die Zunge mit Jod bepinseln – das macht man schon seit Jahren nicht mehr. Zuerst haben wir Natriumjod intravenös injiziert, was schon sehr viel besser wirkte, und inzwischen ist auch das schon wieder ersetzt worden. Durch Sulfonamide.«
»Große Worte, Mr. Farnon, große Zaubersprüche«, brummte der Bauer. »Aber ich weiß selber, was für meine Kuh am besten ist. Geben Sie mir das Jod oder nicht?«
»Nein, ich gebe es Ihnen nicht«, erwiderte Siegfried und das Lächeln schwand aus seinem Gesicht. »Ich bin ein verantwortungsbewußter Tierarzt, deshalb verschreibe ich Ihnen nichts, was längst überholt ist.« Er wandte sich mir zu. »James, würdest du bitte ins Lager gehen und mir eine Packung von dem Sulphanilamid bringen?«
Mr. Biggins protestierte, als ich aus dem Sprechzimmer ging. Die Sulphanilamid-Packungen standen reihenweise im Regal, Pfundpackungen und Halbpfundpackungen. Wir hatten so viel davon da, da dieses Medikament damals viel angewandt und in großen Mengen gebraucht wurde. Es hatte sich als wirksames Mittel bei vielen Arten bakterieller Erkrankungen erwiesen, es war ein ausgezeichnetes Wundpuder, und im übrigen führte es, wie Siegfried gesagt hatte, zu erstaunlich schnellen Erfolgen bei Aktinobazillosis oder Holzzunge – einer starken Schwellung der Zunge beim Rind. Ich nahm eine der Pfundpackungen aus dem Regal und kehrte im Trab zurück. Schon im Flur hörte ich die beiden sprechen.
Als ich das Behandlungszimmer betrat, war der Streit in vollem Gange, und ich merkte, daß Siegfried allmählich die Geduld verlor. Er nahm mir das Paket ab und fing an, die Gebrauchsanweisungen auf die weiße eingewickelte Packung zu schreiben.
»Am Anfang geben Sie drei Teelöffel auf einen Liter Wasser, und später...«
»Aber ich sage Ihnen doch, ich will es nicht.«
»... geben Sie einen Teelöffel auf einen Liter Wasser, und das dreimal täglich...«
»Ich habe kein Zutrauen zu diesen neuen Sachen.«
»... und wenn die
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