Von Zweibeinern und Vierbeinern
Packung aufgebraucht ist, lassen Sie es uns wissen, dann geben wir Ihnen, wenn nötig, noch eine.«
Der Bauer starrte Siegfried an. »Das Zeug wird nicht helfen.«
»Mr. Biggins«, sagte Siegfried mit unheilverkündender Ruhe. »Es wird Ihre Kuh heilen.«
»Wird es nicht.«
»Wird es doch.«
»Wird es nicht.«
Siegfried schlug donnernd mit der Hand auf den Schreibtisch. Er hatte genug. »Nehmen Sie die Packung, und wenn das Medikament nicht wirkt, schicke ich Ihnen keine Rechnung, einverstanden?«
Mr. Biggins kniff die Augen zusammen, aber ich konnte sehen, daß der Gedanke, etwas umsonst zu bekommen, einen unwiderstehlichen Reiz auf ihn ausübte. Er streckte die Hand aus und nahm das Sulphanilamid an sich.
»Sehr gut!« Siegfried sprang auf und klopfte dem Bauern auf die Schulter. »Sagen Sie Bescheid, wenn Sie es aufgebraucht haben. Ich gehe jede Wette ein, daß es Ihrer Kuh bald viel besser gehen wird.«
Etwa zehn Tage später kamen Siegfried und ich zufällig an Mr. Biggins’ Hof vorbei.
Siegfried fuhr langsamer, als er das Bauernhaus sah. Es war ein solider Bau, und im Vorgarten wuchsen Kartoffeln. Mr. Biggins hielt nichts davon, Geld für Blumen zu verschwenden.
»Paß auf, James«, sagte mein Partner. »Wir erkundigen uns mal bei unserem alten Freund, wie das Sulphanilamid wirkt. Er will das Gesicht nicht verlieren, deshalb hat er sich nicht gemeldet, vermute ich.« Er lachte leise. »Vielleicht können wir ihn ein bißchen ärgern.«
Er schlug das Lenkrad ein und fuhr um das Haus herum auf den Hof. Vor der Küchentür hob Siegfried die Hand, um zu klopfen, als er mich plötzlich am Arm packte. »Sieh dir das an, James!« sagte er flüsternd.
Er deutete auf das Küchenfenster. Und dort auf dem Fensterbrett stand unsere weiße Packung Sulphanilamid. Ungeöffnet, unangetastet.
Siegfried ballte die Hand zur Faust. »Dieser verdammte Kerl! Er hat es nicht einmal versucht – aus purem Trotz.«
Im gleichen Moment öffnete der Bauer die Tür, und Siegfried begrüßte ihn fröhlich. »Ah, einen schönen guten Morgen, Mr. Biggins. Wir kommen gerade vorbei, und da dachten wir, wir schauen mal nach Ihrer Kuh. Macht sie gute Fortschritte?«
Die Augen unter den buschigen Brauen flitzten beunruhigt hin und her. Siegfried hob beruhigend die Hand. »Keine Rechnung, ich gebe Ihnen mein Wort. Wir wollten nur mal hören, weil wir selber Interesse daran haben.«
»Aber... ich hab meine Hausschuhe an. Wir trinken gerade eine Tasse Tee. Es ist wirklich nicht nötig, daß Sie...«
Aber Siegfried war schon auf dem Weg zum Kuhstall. Die Patientin war leicht herauszufinden. Ihre Haut spannte sich über den hervorstehenden Rippen und Brustknochen. Speichel troff aus dem Maul. Und unter dem Kiefer war eine dicke Schwellung zu sehen. Die Kuh sah aus wie eine Vogelscheuche.
Siegfried packte sie am Kopf, griff nach ihrer Nase und zog sie zu sich herum. Mit der anderen Hand stemmte er ihr das Maul auf und betastete ihre Zunge.
»Fühl mal, James«, sagte er leise.
Ich ließ meine Hand über die knubbelige harte Oberfläche gleiten, der diese Krankheit seit Jahrhunderten ihren sprechenden Namen verdankte. »Schrecklich. Ein Wunder, daß sie überhaupt noch fressen kann.« Ich roch an meinen Fingern. »Riecht nach Jod.«
Siegfried nickte. »Er ist zum Drogisten gegangen, trotz allem, was ich ihm gesagt habe.«
In diesem Augenblick ging die Stalltür auf, und Mr. Biggins kam keuchend an.
Mein Partner sah ihm über den Rücken der Kuh hinweg traurig entgegen. »Es scheint, daß Sie recht behalten. Unsere Medizin hat nicht geholfen. Ich verstehe das nicht.« Er machte eine Kunstpause und rieb sich das Kinn. »Es steht schlecht um Ihre arme Kuh, fürchte ich. Sie ist schon fast verhungert. Es tut mir sehr leid...«
Das Gesicht des Bauern verriet Überraschung. »Nun, ja... das stimmt... es geht ihr nicht gut... Ich nehme an, sie wird...«
Siegfried unterbrach ihn. »Sie verstehen sicher, Mr. Biggins«, sagte er, »ich fühle mich für den Zustand des Tieres verantwortlich. Mein Mittel hat nicht angeschlagen, deshalb muß ich dafür sorgen, daß Ihrer Kuh anders geholfen wird.« Er kam zwischen den Kühen hervor. »Ich habe eine Spritze im Wagen, die wird ihr helfen, denke ich. Entschuldigen Sie mich einen Augenblick.«
»Moment... warten Sie eine Minute... Ich weiß nicht...« Aber die Worte des Bauern blieben unbeachtet. Siegfried lief schon auf den Hof hinaus.
Gleich darauf war er wieder da und hatte eine Flasche in
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